Politik

USA: Geheimdienst-Bericht über Russland gerät zur großen Blamage

Der Bericht der US-Geheimdienste über die angebliche russische Intervention in die US-Wahl ist eine einzige Peinlichkeit. Im Hinblick auf Deutschland leisten sich die Dienste einen kolossalen Sachfehler, in Bezug auf Clinton und den IS einen fatalen Kurzschluss.
07.01.2017 00:00
Lesezeit: 3 min

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Der mit Spannung erwartete Bericht der US-Geheimdienste zur angeblichen russischen Beeinflussung der US-Wahl wurde veröffentlicht. Glenn Greenwald von The Intercept urteilt knapp und zutreffend: Der Bericht wiederhole bekannte Anschuldigungen – ohne einen einzigen Beweis für die Behauptungen vorzulegen. Es sei schockierend, wie sehr dieser Bericht gehypt worden sei und sich am Ende gar nicht die Mühe gab, auch nur einen einzigen Beweis vorzulegen, schreibt Greenwald auf Twitter.

Tatsächlich ist der Bericht eine einzige Blamage: Hätten die US-Dienste auch nur ansatzweise belegen können, dass die Russen oder mit ihnen verbundene oder in ihrem Auftrag tätige Hacker oder Cyber-Kriminelle sich Zugriff auf die Server der Demokratischen Partei (DNC) verschafft haben, so hätte der Bericht und die ihm vorangegangene Erregung durchaus Berechtigung gehabt.

Doch der Bericht besteht im Grund aus einem Sammelsurium von Binsenweisheiten, die sich jeder Schüler in einer halbstündigen Internet-Recherche zusammensuchen kann. Überdies besteht der Bericht aus Unstimmigkeiten und enthält völlig unlogische und daher falsche Schlüsse.

Die Kernaussage des Berichts lautet: Putin sei gegen Hillary Clinton gewesen und habe sich gewünscht, dass Donald Trump gewinnt.

An Clinton habe Putin ihre „aggressive Rhetorik“ gestört. Das ist öffentlich bekannt – und nicht verwunderlich, da Clinton Putin mehrfach unflätig attackiert und Russland den Krieg angedroht hatte. Putin sei gegen Hillary Clinton gewesen, weil er ihr „seit 2011“ vorgeworfen habe, sie hätte in den Jahren 2011 und 2012 „Massenproteste gegen sein Regime vom Zaun gebrochen“. Wer die russischen Kommentare aufmerksam verfolgt hat, kann sagen: Dieses Thema haben weder Putin noch irgendjemand aus der russischen Regierung während des US-Wahlkampfs angesprochen.

Die Geheimdienste lösen das Dilemma, dass man Putin ein Votum für Trump nicht direkt nachweisen kann, mit Hilfe einer zur Desinformation zu gerne angewandten3 Methode: Die Dienste behaupten einfach irgendetwas. So sagen sie, es sei für sie Beweis genug, dass Putin die Wahl beeinflusst habe, weil er nach der Veröffentlichung der Panama-Papiere und des russischen Doping-Skandals bei Olympia öffentlich gesagt habe, „er werde versuchen, Enthüllungen zu tätigen, die das Image der Vereinigten Staaten diskreditiere und sie als Heuchler entlarven.“

Die Geheimdienste drehen Putin einen Strick aus der Tatsache, dass er sich NICHT ausdrücklich für Donald Trump ausgesprochen habe. Putin habe also aus Berechnung nicht für Trump Partei ergriffen. Dies beweise, dass Putin hinter den Enthüllungen stehen müsse, weil sie im Falle eines Pro-Trump-Statements auf ihn, Putin, zurückgefallen wären.

An einer Stelle wird der Bericht regelrecht absurd. Es heißt: „Moskau sah die Wahl von Trump als einen Weg, eine internationale Koalition gegen den Terror gegen den Islamischen Staat im Irak und in der Levante (ISIL) zu erreichen.“ Hier muss man sich ernsthaft fragen, ob die Geheimdienstler überhaupt gelesen haben, was sie da schreiben: Denn indirekt sagen die Dienste damit, dass Clinton nicht gegen den IS kämpfen wollte – ein Vorwurf, der sich aus den Podesta-Emails herleiten kann und gegen den sich Clinton während des Wahlkampfes nur halbherzig zur Wehr setzte. Doch kann man Putin einen Vorwurf daraus machen, dass er gegen den IS kämpfen wollte – gemeinsam mit den USA?

Der Bericht zeigt mangels Fakten einige interessante Elemente von Küchenpsychologie. Die CIA hat sich ja in ihrer Gründungszeit immer wieder auf C.G. Jung berufen und betont, dass die „psychologische Kriegsführung“ von größter Bedeutung sei. Doch dann sollten wenigstens die Fakten stimmen. So aber schreiben die Dienste: „Putin hat viele positive Erfahrungen mit westlichen Politikern gemacht, deren Business-Interessen sie anfällig für Deals mit Russland machten – wie den früheren italienischen Premierminister (sic) Silvio Berlusconi und den früheren deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder.“ Erstens war Berlusconi Ministerpräsident, aber das mag ein Detail sein. Im Fall von Gerhard Schröder liegt eine eindeutige „fake news“ vor: Schröder hat seine Business-Interessen erst nach seiner aktiven Amtszeit entwickelt, als er nämlich in die Dienste von Gazprom getreten ist. Das ist aus politisch-ethischer Sicht durchaus fragwürdig – doch während er Kanzler war, hatte Schröder nachweisliche keine Geschäftsinteressen aus seiner zivilen Tätigkeit. Schröder war nämlich Ministerpräsident von Niedersachsen und Anwalt in Hannover.

Der größte Teil des Berichts beschäftigt sich nicht mit technischen Details, die man auch verschlüsselt hätte darstellen können, über Hacking, DDoS-Attacken, Malware oder sonstwelche Hacker-Tools. Der Bericht widmet sich dem russischen Staatssender RT und „enthüllt“, dass die Leitung des Senders Putin nahestehe. Das weiß allerdings jedermann und die Russen haben daraus nie ein Geheimnis gemacht. Auch wenn man RT vorwerfen kann, dass Meldungen aufgebauscht oder, wie im Fall eines Mädchens in Deutschland, frei erfunden werden – dass dieser Sender im direkten Auftrag Putins handelt, wird man in jedem Handbuch für Journalistenschüler nachlesen können.

Im Übrigen beklagt der Bericht, dass in den USA russische Spione aktiv seien. Das weiß man ebenfalls spätestens seit James Bond. Beim Senats-Hearing bestätigte der führende Autor des Berichts, James Clapper, dass die Dienste tausende Mitarbeiter beschäftigen. Haben diese Leute, die immerhin vom amerikanischen Steuerzahler finanziert werden, denn keine besseren Informationen als solche Allgemeinplätze? Besonders peinlich: Um zu „beweisen“, dass aus St. Petersburg Internet-Trolls gegen Clinton unterwegs waren, mussten die Dienste einen anonymen „Journalisten“ als Zeugen benennen – wohl in Ermangelung eigener Erkenntnisse.

Der designierte Präsident Donald Trump sagte nach der Veröffentlichung, es sei klar, dass die Wahlmaschinen nicht gehackt worden seien und daher die Wahl ordnungsgemäß abgelaufen sei. Auch der Sprecher der Republikaner Paul Ryan bekräftigte diese Position. Das Heimatschutzministerium bestätigte laut The Hill, dass die Russen keinen einzigen Wahlvorgang manipuliert haben. Sogar der Demokrat Adam Schiff räumte ein, dass nicht gesagt werden könne, ob die Wikileaks-Dokumente wirklich Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben.

Trump sagte in einem Statement, dass er in seiner Präsidentschaft alles unternehmen werde, um Hacking gegen politische Parteien, US-Unternehmen und Infrastruktur unterbinden werde. Die von den Neocons um John McCain geforderte „Abschreckung“ kündigte Trump nicht an. Das wäre, wenn es dabei bleibt, schon einmal ein erster Schritt auf dem Weg zurück zum gesunden Menschenverstand.

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