Deutschland

Rechtsexperte: „Unsichtbare Kräfte“ der Politik gängeln das Justiz-System

In Deutschland sei die Judikative von der Exekutive abhängig, meint der Strafrechtler Albrecht. Aus diesem Grund gebe es auch bei schlimmstem Fehlverhalten von Politikern keine juristischen Konsequenzen.
01.02.2013 12:03
Lesezeit: 1 min

Aktuell:

Ankara: Selbstmordattentat vor US-Botschaft

„Wahre Unabhängigkeit ist der Dritten Gewalt in unserer Rechtsordnung noch nicht zuteil geworden“, schreibt Peter-Alexis Albrecht, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe Universität Frankfurt, auf der Webseite von Deutschlandradio. Zwar schreibe niemand den Richtern ihre Urteile vor, doch werde die Gewaltenteilung „immer mehr abgeschliffen“, so Albrecht.

Auf gegenseitige Kontrolle von Legislative, Exekutive und Judikative komme es in der Demokratie aber primär an, meint Albrecht. Demokratie brauche die gegenseitige „wirksame Kontrolle der Macht“.

Doch in Deutschland sei das Bundesverfassungsgericht das einzige unabhängige Gericht, meint Albrecht. Es bestelle seinen Haushalt selbst und „Beförderung, Honorierung und Leistungsdruck“ spielten kaum eine Rolle.

Allerdings zeige der politische Alltag, dass Parlament und Regierung sich wenig um die Kritik des Verfassungsgerichts kümmerten, räumt Albrecht ein. „Das müsste die Bürger alarmieren, das heißt, sie sollten eine wache Gesamtjustiz fordern.“

„Im Bund, aber noch stärker in den Ländern bestellt, bewertet, honoriert und befördert die Exekutive aus Regierung und Verwaltung ihre richterlichen Kontrolleure in höchst bedenklicher Allmacht selbst“, formuliert Albrecht seine Hauptkritik. Die Ministerien entschieden auch über die personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Der Grund dafür, dass die Justiz in Deutschland nicht unabhängig ist, sei „ganz einfach“, meint Albrecht: Die mächtigste der drei Gewalten, die Exekutive, wolle ihren Einfluss auf ihre juristischen Kontrolleure behalten. Auf diese Weise bleibe die Exekutive weitgehend unangetastet von Strafverfolgung – selbst bei schlimmem Fehlverhalten ihrer Repräsentanten.

Derzeit gehöre „ungeheuerlicher Mut“ dazu, etwa gegen die Verantwortlichen der Finanz-, Banken- und Wirtschaftskrisen zu ermitteln. Und diesen Mut könne es ohne wahre Unabhängigkeit der Dritten Gewalt nicht geben, so Albrecht.

Weitere Themen

Pimco-Chef: Finanzmärkte stehen vor einer „Supernova“-Explosion

EU-Diktat: Deutschland muss Gift-Werte bei Spielzeug lockern

Niederlande machen Druck: Es muss ein Recht auf EU-Austritt geben

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Trump plant Gespräch mit Putin - EU diskutiert Ukraine-Unterstützung
17.03.2025

US-Präsident Donald Trump beabsichtigt nach eigenen Angaben, am Dienstag mit Kremlchef Wladimir Putin zu sprechen, und sieht dabei gute...

DWN
Politik
Politik Corona: 26.000 Betrugsverfahren und 600 Millionen Euro Schaden
17.03.2025

Noch immer ist die Justiz mit der Aufklärung des Betrugs bei Corona-Hilfen und den Testzentren beschäftigt. Wie die Täter vorgingen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mehr Geld, mehr Freizeit: Gewerkschaften setzen auf exklusive Anreize
16.03.2025

Zusätzliche freie Tage, höhere Prämien oder mehr Weihnachtsgeld – aber nur für Gewerkschaftsmitglieder. Immer öfter werden in...

DWN
Politik
Politik Männersache Politik? Weniger Frauen im Bundestag statt mehr - woran liegt das?
16.03.2025

Mehr Männer, weniger Vielfalt? Im neuen Bundestag finden sich weniger Frauen als zuvor. Fachleute sagen: Nicht nur für die Themensetzung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Markt gesättigt: Hohe Rabatte für Räder könnten noch in diesem Jahr auslaufen
16.03.2025

20, 30 oder 40 Prozent Preisnachlass: Der Fahrradhandel versucht mit kräftigen Rabatten, seine Lager zu räumen. Doch der Trend könnte...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilien als Altersvorsorge? Pro und Contra
16.03.2025

Immobilien werden grundsätzlich als gute Investition eingeschätzt. Doch lohnt es sich, für das Alter mit Immobilien vorzusorgen – und...

DWN
Politik
Politik Plötzlich Partner? Wie der Kreml auf Trumps Weißes Haus und das neue Amerika blickt
16.03.2025

Russlands Ton gegenüber den USA hat sich komplett gedreht. Kreml und Staatsmedien freuen sich, dass US-Präsident Trump Moskaus Propaganda...

DWN
Panorama
Panorama Grundstücksstreit: Familie droht Haus-Abriss nach 15 Jahren
16.03.2025

Eine Familie aus Brandenburg könnte ihr Zuhause verlieren – wegen eines Behördenfehlers. Nach einem fragwürdigen...