Vor dem EU-Gipfel am Freitag hat Ratspräsident Donald Tusk schnelle Schritte verlangt, um einen neuen Rekord bei den Flüchtlingszahlen in Italien zu verhindern, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Notwendig sei „sofortiges und dringendes Handeln“ mit dem Transitland Libyen und um es herum, schrieb Tusk am Dienstag in seinem Einladungsschreiben für das Treffen in Malta. Die EU müsse dabei wegen der schwierigen politischen Lage in Libyen auch „innovativ“ vorgehen.
Im vergangenen Jahr waren 181.000 Flüchtlinge in Italien eingetroffen, so viele wie nie zuvor. 90 Prozent kamen über Libyen. EU-Vertretern zufolge wird geschätzt, dass derzeit 300.000 bis 350.000 Flüchtlinge in dem nordafrikanischen Land auf besseres Wetter und die Überfahrt nach Europa warten.
Der maltesische EU-Ratsvorsitz hat deshalb mit Libyen ein ähnliches Abkommen wie mit der Türkei vorgeschlagen, um die Ankunftszahlen in Europa zu senken. Diese Pläne stoßen aber wegen der chaotischen Lage in dem Land auf Vorbehalte bei mehreren EU-Regierungen. Denn eine im März 2016 gebildete Einheitsregierung hat weite Teile Libyens nicht unter Kontrolle, in weiten Teilen haben seit dem Sturz des früheren Präsidenten Gaddafi durch Großbritannien, Frankreich und die USA bewaffnete Milizen das Sagen.
Die Pläne der EU laufen auf eine radikale Verschärfung des Asylrechts hin, inklusiver Lager in Libyen, in denen Migranten und Flüchtlinge festgesetzt werden sollen. Tatsächlich ist der Zustand der Lage heute schon verheerend, weil in Libyen durch die Destabilisierung des Westens die Menschenrechte nicht einmal mehr im Ansatz sichergestellt sind: Das Land befindet sich de facto im Kriegszustand.
„Die Ströme sind auf Rekordniveau, zu viele Menschen sterben bei dem Versuch Europa zu erreichen“, schrieb Tusk nun in seiner Gipfel-Einladung an die Staats- und Regierungschefs. „Und das Frühjahr nähert sich schnell.“ Deshalb seien Anstrengungen, Libyen politisch zu stabilisieren, „wichtiger denn je“. „Aber wir müssen gleichzeitig unsere Außengrenze schützen, während wir den libyschen Behörden helfen, angemessene Aufnahmeeinrichtungen auf ihrem Gebiet zu schaffen.“
Diskutiert werden in der EU auch Aufnahmelager in Libyen oder anderen nordafrikanischen Ländern, in die auf See gerettete Flüchtlinge zurückgebracht werden könnten. Die EU-Kommission ist derzeit beauftragt zu prüfen, ob dies ohne einen Verstoß gegen den internationalen Grundsatz der Nichtzurückweisung von Flüchtlingen möglich ist.
Beim Mittagessen haben die Staats- und Regierungschef laut Tusk dann Gelegenheit, frei über „internationale Herausforderungen und die internationale Lage“ zu diskutieren. Erwartet wird, dass dabei auch der Umgang mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump zur Sprache kommt. Am Nachmittag folgen dann Beratungen ohne Großbritannien über die künftige Ausrichtung der EU vor dem Jubiläumsgipfel zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge Ende März.