Jim Harra, ein leitender britischer Steuerbeamter, sagte britischen Parlamentariern kürzlich laut Politico, dass Vorbereitungen im Gange sind, falls Großbritannien die EU ohne Einigung verlassen sollte. Sollte es zu keiner Einigung kommen, werde man nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) mit der EU verkehren.
Harra, ein Generaldirektor bei „Her Majesty’s Revenue and Customs“ (HMRC), erklärte, dass, obwohl die Regierung eine Einigung bei den Austrittsverhandlungen anstrebt, sie gleichzeitig auch auf einen Austritt ohne eine Übergangseinigung mit der EU vorbereitet.
Dieses Szenario, welches Premierministerin Theresa May einem „schlechten Deal“ vorziehen würde, würde erhöhte Personalanforderungen an die britischen Steuerbehörden stellen und würde sich als eine zusätzliche Last an Unternehmen darstellen, welche sich mit den neuen Zollanforderungen auseinandersetzen müssten.
Harra sagte, dass die Beamten glauben, ein Modell entwickeln zu können, welches am "Tag Eins" nach dem Austritt implementiert werden könne, so dass der Handel ordnungsgemäß weitergehen könnte.
Jedoch sagte er auch, dass ein solches Szenario nicht das bevorzugte Ergebnis sei: „Es würde bedeuten, dass die Anzahl an Zollerklärungen deutlich steigen würde, welches erhöhte Verwaltungskosten sowohl für uns als auch für die involvierten Unternehmen nach sich zöge“. Harra: „Wenn wir uns jedoch auf bestehende Regelungen stützen könnten, dann glauben wir, dass wir das rechtzeitig implementieren können.“ Insbesondere auf kleine Unternehmen, welche bisher nur Handel mit der EU betrieben haben, könnten die größten zusätzlichen Kosten zukommen.
Harra: „Die Unternehmen können in zwei Kategorien eingeteilt werden. Unternehmen welche bereits Handel außerhalb der EU betreiben und sich daher bereits mit den Zollprozessen auskennen, diese Prozesse allerdings auf eine breitere Spanne von Gütern ausweiten müssen. Aber dann gibt es auch noch andere, kleinere Unternehmen, welche momentan innerhalb der EU Handel betreiben aber nicht außerhalb, sodass Zollerklärungen etwas gänzlich Neues für sie wären.“
Die IT-Systeme der britischen Steuerbehörde verfügen momentan nicht über hinreichend Kapazitäten, um das Volumen an Zollerklärungen abzuarbeiten, das erwartet wird, wenn der Handel mit der EU auf einmal ähnlichen Regelungen unterliegen würde wie der Handel mit Waren von außerhalb der EU, sagte Harra. Harra sagte allerdings auch, dass ein neues System entwickelt werde, welches solch ein Volumen abarbeiten könnte.
Auf die Frage, ob Veränderungen bei Zollkontrollen zu einer Störung in den Häfen Großbritanniens führen wird, sagte Harra, dass 95 Prozent der Zollerklärungen bereits jetzt elektronisch abgewickelt werden können, dass aber einige Veränderungen in den britischen Häfen vorgenommen werden müssten, um verstärkte Kontrollen durchführen zu können. „Wir arbeiten definitiv darauf hin dass es keine Störungen geben wird, zum Beispiel in Dover oder irgendeinem anderen Hafen, aber wir werden jeden Hafen einzeln anschauen müssen und analysieren was passieren wird, insbesondere weil es in den meisten roll-on, roll-off ports [anm. D.R: Häfen, in denen Schiffe mit beladenen LKWs ankommen] eine ganz neue Erfahrung ist.“
„Wir können nicht garantieren, dass es nicht einige Veränderungen geben werden muss in diesen Häfen um das neue System einzuführen, aber es wird unser Ziel sein, Störungen zu minimieren.“
Obwohl Großbritannien im Prinzip dazu bereit ist, zu dem System der Welthandelsorganisation zurückzukehren, wird die britische Regierung versuchen, ein maßgeschneidertes Zollarrangement als Teil ihres Austrittspakets zu verhandeln. Ein White Paper der Regierung, welches vergangene Woche veröffentlicht wurde, bestätigt, dass Großbritannien trotz des Austritts aus der gemeinsamen Handelspolitik eine Einigung bezüglich Zöllen erreichen will.
Harra sagte, dass er erwartete, dass ein Zollarrangement zwischen der EU und Großbritannien auf einer gegenseitigen Anerkennungen von zuverlässigen Unternehmern basieren wird, sowie eine Abbildung der „Informationsflüsse“ welche zur Zeit zwischen EU-Mitgliedsstaaten bestehen.
Das britische Unterhaus hat am Mittwoch nach Beratungen wie erwartet für den Brexit-Antrag der Regierung gestimmt. 494 Abgeordnete votierten für das entsprechende Gesetz, 122 dagegen. Das Vorhaben muss auch noch vom Oberhaus abgesegnet werden. Premierministerin Theresa May hatte das Parlament in London um seine Zustimmung gebeten, die Austrittsgespräche mit der EU zu beginnen.
Das Oberste Gericht Großbritanniens hatte im Januar entschieden, dass der Antrag zum Brexit vom Parlament gebilligt werden muss. Erst wenn die Abgeordneten in beiden Kammern grünes Licht gegeben haben, kann May den Artikel 50 des EU-Vertrages aktivieren und damit den Startschuss für die Verhandlungen geben. Spätestens Ende März soll es so weit sein. Die Gespräche mit der EU sollen zwei Jahre dauern.