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Der Eurogruppen-Vorsitzende Jeroen Dijsselbloem hat mit dem Vorwurf, Krisenländer im Süden der Währungsunion hätten ihr Geld „für Schnaps und Frauen“ verschwendet, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der frühere italienische Regierungschef Matteo Renzi forderte den Niederländer am Mittwoch auf zurückzutreten. Auch im Europaparlament stieß die Aussage des Sozialdemokraten parteiübergreifend auf Unverständnis.
Der niederländische Finanzminister hatte in einem Interview mit der FAZ gesagt, die nördlichen Euroländer hätten sich mit den Krisenstaaten im Süden solidarisch gezeigt. Wer Solidarität einfordere, habe aber auch Pflichten, sagte Dijsselbloem. „Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten“, sagte Dijsselbloem. Dies gelte auf „persönlicher, lokaler, nationaler und eben auch auf europäischer Ebene“.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble steht weiter hinter Dijsselbloem. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, Schäuble schätze die Arbeit des Niederländers. Sie fügte hinzu: „Wir vergeben keine Stilnoten für Interviewäußerungen.“ Schäuble hatte sich bereits vor einigen Tagen für Jeroen Dijsselbloem als Chef der Eurogruppe ausgesprochen. Die Amtszeit des Niederländers laufe bis Anfang 2018, sagte Schäuble am Montag vor einem Treffen mit seinen Kollegen in Brüssel. Dijsselbloem mache seinen Job als Vorsitzender des Gremiums sehr gut. Dijsselbloems Sozialdemokraten hatten bei den Parlamentswahlen in der vergangenen Woche eine herbe Niederlage einstecken müssen. Er selbst sagte, es sei zu früh darüber zu sprechen, ob die Bildung einer neuen Regierung in Den Haag abgeschlossen sei, bevor sein Mandat im Januar ende.
Tatsächlich ist die Frage rechtlich nicht geregelt. Die Euro-Gruppe der Finanzminister hat weder in der EU noch in der Euro-Zone eine institutionelle Funktion. Sie trifft zwar die wichtigsten Entscheidungen, ist aber weder dem EU-Parlament noch den nationalen Parlamenten Rechenschaft schuldigt. Damit haben die europäischen Steuerzahler keine Möglichkeit, zu kontrollieren, welche Politiker letzten Endes über die Verwendung der von ihnen erwirtschafteten Steuergelder entscheiden. Ein Kontext zwischen gewählten Mandataren und der Zahlung von Steuern ist das Wesen des Gesellschaftsvertrags in der Demokratie.
„Je früher er geht, desto besser“, schrieb Renzi auf Facebook. Der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva, ein Sozialdemokrat, sagte am Dienstag in Washington, Dijsselbloems Äußerungen seien „vollkommen inakzeptabel“. Er sei nicht geeignet, „um Vorsitzender der Eurogruppe zu bleiben“. Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos sprach von „unglücklichen Kommentaren - sowohl in der Form als auch im Inhalt“.
Dijsselbloem weigerte sich am Dienstag bei einer Anhörung im EU-Parlament, sich für den Schnaps- und Frauen-Vorwurf zu entschuldigen. „Nein, sicherlich nicht“, sagte er auf eine entsprechende Forderung eines konservativen EU-Abgeordneten aus Spanien (siehe Video am Anfang des Artikels).
Am Abend hat Dijsselbloem seine Äußerungen schließlich bedauert. Der niederländische Finanzminister erklärte am Mittwoch laut AFP, wenn einige sich beleidigt fühlten, tue ihm das leid. Die Äußerung sei "direkt" gewesen und könne auf dem Hintergrund einer "strikt niederländischen, calvinistischen Kultur mit niederländischer Direktheit" erklärt werden. Die Absicht zurückzutreten habe er nicht.
Auch aus Deutschland kam Kritik an Dijsselbloem. Der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold sagte in einer Aussendung: „So spaltet man Europa auf übelste Weise! Seine Antwort ist beschämend. So darf ein Eurogruppen-Chef, der Verantwortung für die gesamte Eurozone trägt, nicht auftreten. Djisselbloem hat sich damit für eine Wiederwahl disqualifiziert!“
„Ich frage mich wirklich, wie jemand mit diesen Ansichten noch immer Vorsitzender der Eurogruppe sein kann“, sagte der italienische Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Gianni Pittella. Die Äußerungen seien „beschämend“ und „diskriminierend gegenüber den Ländern Südeuropas.“
In der Eurozone gehe es „um Verantwortung, Solidarität, aber auch um Respekt“, schrieb der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), am Mittwoch auf Twitter. Für Klischees sei da „kein Platz“.
Tatsächlich ist insbesondere in Griechenland ein Großteil der Kredite der europäischen Steuerzahler an die Banken geflossen, insbesondere die deutschen und französischen. Die griechische Bevölkerung wurde zur Austerität verpflichtet. In allen südeuropäischen Ländern ist die Jugendarbeitslosigkeit seit Beginn der Euro-Krise unvermindert hoch. In vielen Familien ist keine Geld für Schnaps und Frauen vorhanden, weil oft die Großeltern für zwei Generationen sorgen müssen. Aktuell verlangen der IWF und die Euro-Gruppe in Griechenland die mittlerweile siebte Rentenkürzung innerhalb weniger Jahre.