Die britische Premierministerin Theresa May muss laut Reuters weiter um die Unterstützung der kleinen nordirischen DUP buhlen. Die protestantische und unionistische Partei teilte am Sonntag mit, noch keine Einigung zur Unterstützung von Mays Konservativen im Parlament erzielt zu haben. "Die bisherigen Gespräche waren positiv." Die Diskussionen würden allerdings in der nächsten Woche fortgesetzt, um eine Vereinbarung zu erreichen.
Mays Büro hatte am Samstagabend gemeldet, es gebe im Grundsatz eine Verständigung. Die DUP habe zugesagt, bei wichtigen Abstimmungen für die Regierung zu stimmen. Diese verfügt nach der Wahlschlappe vom vergangenen Donnerstag nicht mehr über die absolute Mehrheit im Unterhaus. Acht Stimmen fehlen May, die DUP hat zehn Mandate.
Mays Büro äußerte sich am Sonntag deutlich zurückhaltender. Die Premierministerin habe mit der DUP gesprochen, um eine Vereinbarung zu erzielen, bevor das Parlament nächste Woche wieder zusammenkomme. Eine Verständigung wäre zu begrüßen, weil sie für Stabilität im Land stünde. Sobald die Details geklärt seien, würden die beiden Parteien sie verkünden.
Der Sprecher hatte zuvor verkündet, über Einzelheiten der Einigung werde am Montag im Kabinett diskutiert und abgestimmt. Am Dienstag tritt dann das neugewählte Parlament zusammen.
Am 19. Juni sollen die Brexit-Verhandlungen über Großbritanniens Ausstieg aus der Europäischen Union beginnen. Davor war es für May unerlässlich, die Unterstützung der zehn DUP-Abgeordneten im Unterhaus zu erhalten. Eigentlich hatte sich May von der vorgezogenen Parlamentswahl am Donnerstag Stimmenzugewinne und damit Rückenwind für die von ihr angekündigten harten Brexit-Verhandlungen erhofft.
Die DUP befürwortet auch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Foster sprach sich aber wegen der besonderen Situation des einstigen Bürgerkriegslands gegen einen harten Brexit mit einem Austritt aus dem Binnenmarkt und neuen Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland aus. Wie May will auch die DUP nach ihrem Wahlprogramm die Anti-Terror-Gesetze überarbeiten.
Die konservativen Tories verloren stattdessen 13 Mandate und büßten ihre bisherige absolute Mehrheit ein. Mit 318 Abgeordneten fehlen ihnen acht Sitze zur absoluten Mehrheit, die bei 326 liegt. Die oppositionelle Labour Party unter Parteichef Jeremy Corbyn konnte ihren Stimmenanteil dagegen kräftig steigern, nicht zuletzt unter der Jugend. Diese hatte seine Anti-Kriegs-Überzeugungen geteilt.
Wenige Stunden vor der Einigung mit Nordirlands Unionisten waren zwei enge Vertraute der Premierministerin zurückgetreten. Es handelt sich um ihre beiden Stabschefs Nick Timothy und Fiona Hill. Britischen Medienberichten zufolge hatten führende Mitglieder der Tories Mays Verbleib im Amt vom Rücktritt ihrer Stabschefs abhängig gemacht. Timothy und Hill, die May bereits während ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016 beraten hatten, wurden durch Gavin Barwell ersetzt. Der ehemalige Wohnungsbauminister hatte am Donnerstag seinen Parlamentssitz verloren.
Als Grund für das "enttäuschende Ergebnis" bei der Wahl führte Timothy in einer Erklärung einen "unerwarteten Anstieg der Unterstützung für Labour" an. Timothy war vorgeworfen worden, maßgeblich hinter dem umstrittenen Vorhaben zu stehen, ältere Menschen maßgeblich für die Kosten ihrer Pflege aufkommen zu lassen. Selbst in der konservativen Presse stieß dies auf massive Ablehnung. May zog den Plan angesichts der verbreiteten Empörung schließlich mitten im Wahlkampf wieder zurück.
In den britischen Medien steht May massiv in der Kritik. "Sie ist erledigt", titelte die Boulevard-Zeitung "The Sun" am Samstag. Auch viele andere britische Zeitungen sehen die Premierministerin geschwächt: "May blickt in den Abgrund" lautete die Schlagzeile in der "Times", "Die Tories wenden sich gegen Theresa", schrieb die konservative "Daily Mail". "Koalition der Irren" titelte die Boulevard-Zeitung "Daily Mirror" mit Blick auf die nordirischen DUP.
Das Unbehagen gegenüber dieser homophoben Partei ist groß. Die homosexuelle Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, äußerte als eine der ersten Kritik an einem Deal mit der DUP. Mehrere hundert Menschen, darunter viele Labour-Wähler, protestierten im Zentrum Londons gegen die "rassistische, sexistische, schwulenfeindliche DUP".
Gegründet wurde die nordirische Partei, die auch gegen Abtreibungen mobil macht, 1971 vom umstrittenen Protestantenführer Ian Paisley. Heute wird sie von der 46-jährigen Juristin Arlene Foster geführt.
Auf Kritik stieß auch Mays Entscheidung, fünf wichtige Mitglieder ihres bisherigen Kabinetts im Amt zu belassen. Neben Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis sollen auch Finanzminister Philip Hammond, Verteidigungsminister Michael Fallon und Innenministerin Amber Rudd ihre Posten behalten.