Am Donnerstag ist es im Markt für europäische Staatsanleihen zu einer Verkaufswelle gekommen. Die Renditen der Papiere stiegen daraufhin deutlich, während die Preise absackten. Auslöser für die heftigen Bewegungen sollen Spekulationen um die zukünftige Ausrichtung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank gewesen sein, berichtet die Financial Times. Die Verkäufe setzen nämlich kurz nach der Veröffentlichung des Protokolls der letzten Sitzung des EZB-Präsidiums im Juni ein.
Anscheinend interpretierten einige Marktbeobachter die Aufzeichnungen dahingehend, dass die EZB in Zukunft nicht mehr mit deflationären Tendenzen im Euro-Währungsraum rechne. Die Befürworter dieser These stützen ihre Einschätzung insbesondere auf folgenden Satz im Protokoll: „Sehr widrige Szenarien bezüglich des Inflations-Ausblicks sind weniger wahrscheinlich geworden, insbesondere, weil Deflationsrisiken größtenteils verschwunden sind.“
Je stärker die Inflation ist, desto schneller verlieren die versprochenen Rückzahlungen bei Anleihen ihren Wert. Zahlreiche Investoren begannen deshalb, ihre Papiere zu verkaufen. Die Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen stiegen um 10 Basispunkte auf etwa 0,56 Prozent und damit so hoch wie zuletzt vor 18 Monaten. Auch französische zehnjährige Papiere stiegen um gut 10 Basispunkte auf etwa 0,92 Prozent und die Renditen italienischer Anleihen mit derselben Laufzeit stiegen um 12 Basispunkte auf 2,26 Prozent. Auch die Renditen von Staatsanleihen aus Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Belgien, Österreich, den Niederlanden, Finnland, Island, Großbritannien, Polen, Russland und der Türkei stiegen an.
Ein besonders starker Anstieg war bei Schweizer Staatsanleihen zu beobachten. Hier stieg die Rendite bei zehnjährigen Anleihen um über 140 Prozent und erreicht nach vielen Monaten erstmals wieder einen positiven nominalen Zinssatz von 0,01 Prozent.