Die Inflation in der Euro-Zone ist im Juni auf ein Jahrestief gefallen und entfernt sich damit weiter von der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB), berichtet Reuters. Die Verbraucherpreise stiegen nur noch um 1,3 Prozent zum Vorjahresmonat, teilte das Statistikamt Eurostat am Montag mit. Im Mai lag die Teuerungsrate noch bei 1,4 Prozent. Die EZB strebt einen Wert von knapp unter zwei Prozent an. Hauptgrund für den Rückgang: Energie verteuerte sich nicht mehr so stark wie in den Vormonaten. Die anziehende Konjunktur in vielen Euro-Ländern führt zudem bislang noch nicht zu einem stärkeren Preisdruck.
Bemerkenswert ist, dass die sogenannte Kerninflation – bei deren Berechnung die Preise für Energie und Lebensmittel ausgeklammert werden – gestiegen ist. Die Kerninflation bildet den grundlegenden Preistrend besser als die Gesamtrate ab, weil insbesondere die Energiepreise ein aus Sicht von Beobachtern zu starkes Gewicht bei der Gesamtrate haben. Da sich die Ölpreise seit Monaten in einer Schwächephase befinden, ist die Aussagekraft der Gesamtrate eingeschränkt. Im Juni stieg die Kerninflation im Währungsraum wie zuvor geschätzt um 0,2 Prozentpunkte auf 1,1 Prozent, liegt damit aber noch immer vergleichsweise tief. Nach 4,5 Prozent im Mai nahmen die Energiepreise im Juni lediglich um 1,9 Prozent zu.
An den Leitzinsen, die bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von null Prozent liegen, dürfte die EZB angesichts der niedrigen Inflation vorerst nicht rütteln. Sie könnte aber am Donnerstag bei ihrem Treffen in Frankfurt den zuletzt stets bekräftigten Hinweis kippen, die billionenschweren Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen nötigenfalls noch einmal auszuweiten. Der EZB-Rat um Notenbankchef Mario Draghi würde damit den Finanzmärkten ein weiteres Signal senden, sich langsam auf eine Eindämmung der Geldflut vorzubereiten. Mit ihren Maßnahmen versuchen die Währungshüter, die Teuerungsrate näher in Richtung zwei Prozent zu schieben.
Für Volkswirt Greg Fuzesi von der US-Großbank JP Morgan ist die Kerninflation zwar nicht ausschlaggebend dafür, ob die EZB – wie von vielen Experten erwartet – im September ein Abschmelzen ihrer billionenschweren Anleihenkäufe beschließt. „Aber die Kerninflation muss klar steigen, bevor sich die EZB auf einen ersten Zinsschritt hin bewegt.“ Fuzesi rechnet mit einer solchen Entscheidung nicht vor Ende 2018. Die Zinsen in der Euro-Zone liegen seit langem auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.
Die EZB und die nationalen Notenbanken erwerben aktuell Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Umfang von monatlich 60 Milliarden Euro. Das Kaufprogramm ist momentan das stärkste Instrument der EZB zur Anschiebung der Konjunktur und für mehr Inflation. Die EZB will die in Deutschland umstrittenen Käufe noch bis mindestens Ende 2017 fortsetzen. Dann sollen sie ein Volumen von 2,28 Billionen Euro erreichen.