Finanzen

Finanzaufsicht: Banken müssen sich von klassischem Zins-Geschäft verabschieden

Lesezeit: 3 min
30.08.2017 17:04
Die deutschen Banken und Sparkassen müssen wegen der Zinspolitik der EZB ihr Geschäftsmodell radikal umbauen.
Finanzaufsicht: Banken müssen sich von klassischem Zins-Geschäft verabschieden

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Deutsche Banken und Sparkassen werden auch in den kommenden Jahren unter den absehbar niedrigen Zinsen leiden. In einer Umfrage unter 1500 kleineren Instituten gaben die befragten Geldhäuser selbst an, dass sie bis 2021 mit einem Gewinnrückgang um 16 Prozent vor Steuern im Verhältnis zu ihrer Bilanz rechnen, wie Bundesbank und Finanzaufsicht Bafin am Mittwoch in Frankfurt laut Reuters mitteilten. In der vorangegangenen Umfrage waren die Institute 2015 noch von einem Rückgang um 25 Prozent bis 2019 ausgegangen.

Die Finanzaufsicht BaFin warnt vor schweren Folgen der niedrigen Zinsen für die deutschen Banken. Diese müssten dringend ihr Geschäftsmodell der neuen Realität anpassen und ihre Abhängigkeit von klassischen Zinsgeschäft verringern. "Die Abhängigkeit vom Zinsergebnis kann nicht wie gewohnt bestehen bleiben - und die Rentabilität der europäischen Banken, namentlich der deutschen, ist bedenklich gering und nicht robust genug", sagte BaFin-Chef Felix Hufeld am Mittwochabend laut Redetext in Frankfurt.

Vor allem die kleinen Sparkassen und Genossenschaftsbanken hängen noch immer stark am angestammten Kredit- und Einlagengeschäft und leiden deshalb unter dem niedrigen Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB). BaFin und Bundesbank haben in einem Stresstest von 1500 kleinen Instituten herausgefunden, dass diese auf Sicht der nächsten Jahre - sollte der Zins so niedrig bleiben wie aktuell oder sogar noch weiter sinken - mit Ergebniseinbrüchen von rund 40 Prozent klarkommen müssten. Die Branche selbst beklagt die Folgen des Mini-Zinses seit langem.

Der EZB-Leitzins liegt aktuell bei null Prozent. Die Notenbank verlangt von Banken, die Geld bei ihr parken statt es zu verleihen, zudem einen Strafzins von 0,4 Prozent. Wie lange die EZB den Leitzins noch so niedrig hält, ist offen. EZB-Chef Mario Draghi hält die ultralaxe Geldpolitik weiterhin für gerechtfertigt, um die Konjunktur in der Euro-Zone zu stützen.

Die Bankenbranche klagt seit langem über die ultraniedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), die es ihr immer schwerer machen, Gewinn zu erwirtschaften. Schon die beiden vorherigen Umfragen hatten das unter Beweis gestellt. Der Leitzins der EZB liegt aktuell bei null Prozent. Zudem verlangt die Euro-Notenbank von den Banken Strafzinsen, wenn diese über Nacht bei ihr Geld parken. Dieser Einlagensatz beträgt minus 0,4 Prozent.

„Die durch niedrige Zinsen verursachte Durststrecke ist noch längst nicht überstanden“, sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Die Geldhäuser planten zwar wieder etwas optimistischer. Allerdings bedeute dieses Ergebnis nur, dass sich die Ertragslage weniger schnell verschlechtere als noch vor zwei Jahren angenommen. Wegen sinkender Margen im Zinsgeschäft würden sich Banken und Sparkassen zunehmend andere Gewinnquellen erschließen.

In ihrer Umfrage haben Bundesbank und Bafin die Banken unter anderem mit fünf verschiedenen Zinsszenarien für die nächsten Jahre konfrontiert, darunter anhaltende Niedrigzinsen, aber auch ein abrupter Zinsanstieg. Dazu kam ein Stresstest, in dem unter anderem simuliert wird, wie die Geldhäuser etwa mit steigenden Kreditausfällen zurechtkommen würden. Befragt wurden kleinere Banken, die nicht direkt von der EZB beaufsichtigt werden.

Bundesbank-Vorstand Dombret und der für die Bankenaufsicht zuständige BaFin-Direktor Raimund Röseler forderten die Institute erneut auf, sich andere Ertragsquellen neben dem Zinsgeschäft zu erschließen - etwa durch höhere Gebühren für Beratungsleistungen oder indem sie kostenlose Girokonten abschaffen und die Verbraucher zur Kasse bitten. Die Banken selbst gaben in der Umfrage an, dass sie erwarten, dass dieses so genannte Provisionsgeschäft den Absturz beim Zinsgeschäft weitgehend werde abfedern können. Die Aufseher sehen dies indes skeptisch: „Das ist eine sehr sportliche Annahme“, sagte Dombret. Auch Röseler hegte „teilweise Zweifel“. „Da ist ziemlich viel Wunschdenken dabei“, sagte er. Allerdings sei das „nicht komplett blauäugig“.

Fast die Hälfte aller an der Untersuchung teilnehmenden Banken kann sich vorstellen, dass sie in den nächsten fünf Jahren mit einem anderen Institut fusioniert oder aber dieses übernimmt. Dabei sehen sich die meisten der befragten Vorstände eher als diejenigen, die ein anderes Institut schlucken als das sie selbst übernommen werden. Gemessen an den 1500 kleineren Banken würde das im Extremfall bedeuten, dass zwischen 350 und 400 Banken und Sparkassen bis 2021 verschwinden würden. Dombret und Röseler beschwichtigten jedoch: „Die Anzahl der tatsächlichen Fusionen wird sicherlich kleiner sein.“

Die deutschen Geldhäuser können laut BaFin damit jedoch auf Sicht noch relativ gut umgehen, weil sie ausreichende Kapitalpolster haben. „Die gute Kapitalausstattung der meisten Institute hilft dabei, die Effekte aus dem Niedrigzinsumfeld abzufedern“, sagte Röseler. Viele Banken haben zudem damit begonnen, ihre Kosten massiv zu senken, beispielsweise indem sie Filialen in großem Stil schließen und Personal abbauen. Die Banken selbst sehen vor allem die EZB in der Pflicht: „Die deutsche Kreditwirtschaft plädiert weiterhin und nachdrücklich dafür, dass diese sehr expansive Geldpolitik nicht zum Dauerzustand werden darf, sondern Schritt für Schritt beendet werden muss“, teile der Dachverband der Branche mit.

Die Erhebung umfasst 88 Prozent aller deutschen Banken und erstreckt sich auf 41 Prozent der zusammengefassten Bilanzsummen. Seit Herbst 2014 überwachen die EZB und die nationalen Aufseher die Bankenbranche gemeinsam. Dabei ist die EZB für die Aufsicht über die großen, international tätigen Institute verantwortlich, während in Deutschland Bundesbank und BaFin die kleineren Sparkassen und Genossenschaftsbanken kontrollieren.


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