Politik

Griechenland gegen Abbruch der EU-Verhandlungen mit der Türkei

Der griechische Ministerpräsident Tsipras will, anders als Bundeskanzlerin Merkel, weiter mit der Türkei über einen EU-Beitritt verhandeln.
11.09.2017 01:02
Lesezeit: 2 min

Eine Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wäre nach Ansicht des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras ein "strategischer Fehler". Vorteilhaft wäre ein solcher Schritt ausschließlich für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, sagte Tsipras am Sonntag in Thessaloniki laut AFP.

Der griechische Regierungschef ging damit auf Distanz zu Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte sich am 3. September beim TV-Duell zur Bundestagswahl wie ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz klar gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen. Die Kanzlerin hatte dabei angekündigt, sie wolle nun mit ihren EU-Kollegen darüber sprechen, "ob wir hier zu einer gemeinsamen Position kommen können und diese Beitrittsverhandlungen auch beenden können".

Die Beitrittsgespräche mit Ankara laufen seit 2005. Bisher wurden 16 von 35 Verhandlungskapiteln eröffnet, in denen die EU-Standards für eine Mitgliedschaft festgelegt sind. Nach den Massenverhaftungen infolge des gescheiterten Militärputsches in der Türkei hatten die EU-Staaten im Dezember beschlossen, die Gespräche bis auf Weiteres nicht mehr auszuweiten.

Tsipras schlägt sich in der Türkei-Frage auf die Seite Frankreichs: Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte die Europäische Union vor einem Bruch mit ihrem Beitrittskandidaten Türkei gewarnt. Die Türkei sei ein zentraler Partner der EU in vielen Krisen, sagte Macron am Donnerstag der griechischen Zeitung "Kathimerini". Als Beispiele nannte er die Flüchtlingsfrage und die Bedrohung durch Terrorismus. Macron sagte, zwar habe sich die Türkei in den vergangenen Monaten von der EU wegbewegt und sei zu weit gegangen: "Aber ich möchte einen Bruch verhindern." Damit machte er deutlich, dass er in der Türkei-Politik nur bedingt mit Deutschland mitzieht. Auch Finnland und Estland plädierten für Dialog und warnten vor schnellen Entscheidungen.

Macron hatte den Griechen in Athen eine vertiefte Integration der Euro-Zone in Aussicht gestellt.

Aus Deutschland kommen unterdessen harte Töne in Richtung Griechenland: Der CSU-Spitzenkandidat für die Bundestageswahl, Joachim Herrmann, droht Griechenland mit dem Ausschluss aus dem Schengen-Raum. "Die Griechen sagen es ganz offen: 'Wir können unsere Seegrenzen nicht kontrollieren', sagte der bayerische Innenminister der Bild-Zeitung. "Dann sage ich: 'Griechenland kann und darf nicht mehr Teil des Schengen-Raums sein, wenn das nicht funktioniert!' Solange müssen wir unsere Grenzen selbst schützen."

Die Tatsache, dass in zweieinhalb Jahren rund 1,5 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien, von denen 70 Prozent keinerlei Papiere gehabt hätten, bedeute ganz klar "einen Kontrollverlust", sagte der für den Fall eines Union-Wahlsieges als Ministerkandidat gehandelte Herrmann. "Wir müssen wissen, wer zu uns kommt. Das war nicht der Fall."

Widerspruch erhielt Herrmann dafür vom niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD). "Der Kontrollverlust war selbst verschuldet!", sagte er dem Blatt. Italien und Griechenland hätten schon lange vor der Migrationswelle 2015 um Hilfe gerufen. "Wir haben sie aber ignoriert und nur gesagt: 'Die Flüchtlinge kommen bei euch an, denen müsst ihr Asyl geben, so sehen es die Dublin-Regeln nun mal vor.'" Pistorius fordert mehr deutsches Engagement bei der Sicherung der EU-Außengrenzen.

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