Finanzen

Zentralbanken bereiten Märkte auf Rückkehr der Inflation vor

Lesezeit: 3 min
14.11.2017 17:05
Die Zentralbanken von EU, USA und Großbritannien bereiten die Öffentlichkeit vorsichtig auf eine künftig deutlich stärkere Inflation vor.
Zentralbanken bereiten Märkte auf Rückkehr der Inflation vor

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Zentralbanken der Europäischen Union, der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens bereiten die Öffentlichkeit vorsichtig auf einen deutlichen Anstieg der Inflation vor. So mehren sich nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa in der Führungsriege der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Stimmen, die für die Zukunft einen Strategiewechsel in der Zinspolitik anregen.

Es müsse einen neuen geldpolitischen Ansatz für künftige Phasen mit Nullzinsen geben, forderte der Präsident der Federal Reserve Bank of Chicago, Charles Evans, am Dienstag auf einer von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgerichteten Konferenz in Frankfurt. Wie bereits sein Kollege John Williams aus San Francisco brachte er dabei ein Modell ins Gespräch, das der Federal Reserve mehr Spielraum beim Ansteuern ihres Inflationsziels bieten würde. Demnach könnte die Federal Reserve die Inflationsrate für einen längeren Zeitraum über dem ursprünglich angepeilten Idealwert halten, wenn diese zuvor geraume Zeit darunter verharrte.

Dieser im Fachjargon als „price-level targeting“ bekannte Ansatz sei durchaus eine Option und ein guter „gangbarer Weg“, betonte Evans. Doch es bedürfe noch eingehender Studien. Daher sei es nicht sein Ziel, sich nun bereits für diesen Ansatz stark zu machen. Mit „price-level targeting“ sollen die Preise stabil und zugleich die Arbeitslosigkeit niedrig gehalten werden.

Evans deutete an, dass es schon relativ bald zu einem deutlichen Anstieg der Teuerung kommen könnte. „Mir geht es darum, dass wir für unausweichliche künftige Situationen planen sollten“, sagte Evans.

Auch die britische Notenbank will wegen negativer Auswirkungen des Austritts aus der EU auf die Wirtschaft ein längeres Abweichen von ihrem Inflationsziel zulassen. „Während dieser außergewöhnlichen Situationen werden wir den Horizont ausdehnen, in welchem wir zum Inflationsziel zurückkehren“, sagte der Gouverneur der Bank von England (BoE), Mark Carney auf der oben genannten Konferenz. Damit unterstütze die Notenbank die Wirtschaft, die sich in einem Anpassungsprozess befinde.

Die Inflationsrate in Großbritannien ist mittlerweile stark über das Ziel der Notenbank hinausgeschossen, die lediglich zwei Prozent anstrebt. Im Oktober legten die Verbraucherpreise 3,0 Prozent zum Vorjahresmonat zu. Die Bank of England hatte kürzlich die erste Zinserhöhung seit zehn Jahren gewagt, um den Inflationsanstieg einzudämmen. Denn diese nagt an der Kaufkraft der Briten.

Die EZB und die Federal Reserve Bank sehen beide eine jährliche Preissteigerung von etwa 2 Prozent als ideal für die von ihnen mit Liquidität versorgten Volkswirtschaften an – ein Wert, der nicht auf wissenschaftlichen Befunden basiert, sondern dessen Wirkung auf die Konjunktur als positiv eingeschätzt wird.

Der Erfolg künftiger Strategien sei auf jeden Fall daran geknüpft, dass die Fed ihr derzeit gültiges Inflationsziel von zwei Prozent erreiche, sagte Evans. Falls dies nicht gelinge, werde das Vertrauen in die Fähigkeiten der Notenbank leiden.

In den USA herrscht offiziellen Angaben zufolge Vollbeschäftigung, doch die Fed verfehlt ihr Inflationsziel bereits seit längerem. Diese disinflationären Tendenzen dürften mehrere verschiedene Gründe haben.

So kann in den USA von einer Vollbeschäftigung überhaupt keine Rede sein, weil etwa 95 Millionen der etwa 330 Millionen US-Amerikaner im arbeitsfähigen Alter arbeitslos sind, aber in den Statistiken nicht auftauchen. Der Nachrichtensender CNBC versuchte die erstaunliche Zahl im Dezember 2016 dadurch zu erklären, dass es sich bei diesen Mitbürgern mehrheitlich um (Früh-)Rentner, sozial Abgehängte und „zu viele Leute handelt, die es einfach schöner finden, Sozialhilfe und andere Transferzahlungen zu bekommen, anstatt zur Arbeit zu gehen.“

Zu beachten ist außerdem, dass die Art der Berechnung der offiziellen Inflation nicht nur in den USA, sondern auch in Europa umstritten ist. Beobachter weisen darauf hin, dass der Maßstab in der EU durch eine fehlende Berücksichtigung der Kosten für selbst bewohntes Wohneigentum und eine Übergewichtung der Energiepreise verzerrt ist. Tatsächlich sind die Kosten des täglichen Bedarfs sowie die Stromkosten in den vergangenen Monaten in Deutschland deutlich gestiegen.

Weitere Faktoren, die sich tendenziell dämpfend auf den Preisauftrieb auswirken, könnten die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung, die Alterung der Gesellschaft und damit verbundene höhere Sparquoten der Bürger sowie nicht zuletzt die massive Überschuldung vieler Staaten, Unternehmen und Privatpersonen sein. Diese führt dazu, dass ein immer größerer Anteil des verfügbaren Einkommens für Zinszahlungen ausgegeben werden muss, was den finanziellen Spielraum für Investitionen einschränkt.

Die in den vergangenen Jahren im Zuge der expansiven Geldpolitik von den Zentralbanken emittierten großen Mengen an Liquidität wurden von Banken und Unternehmen in erster Linie für die unproduktive Spekulation an den Finanzmärkten, Dividendenauszahlungen oder Aktien-Rückkäufen verwendet, von vielen Privatpersonen auch für den Kauf bereits vorhandener Wertanlagen wie Immobilien, was die Preise in diesen Segmenten weiter antrieb. Sollte diese Liquidität eines Tages aus den Finanzmärkten in die Realwirtschaft fließen, ist mit einem massiven Anstieg des Preisniveaus zu rechnen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Scholz zu Besuch in Litauen: „Jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen"
06.05.2024

Mit der anlaufenden Stationierung einer gefechtsbereiten Brigade an der Nato-Ostflanke geht Deutschland im Bündnis voran. Der...

DWN
Politik
Politik Über Fidschi nach Down under: Annalena Baerbock an der Frontlinie der Klimakrise
06.05.2024

Sie zählen zu den kleinsten Klimasündern, haben aber am stärksten unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden. Baerbock ist um die...

DWN
Politik
Politik Friedrich Merz sieht CDU zur sofortigen Regierungsübernahme bereit
06.05.2024

Die CDU trifft sich zum dreitägigen Bundesparteitag in Berlin. Es geht um die Verabschiedung des neuen Parteiprogramms der Union und auch...

DWN
Technologie
Technologie Sprunginnovation: In der Lausitz wird das größte Höhenwindrad der Welt errichtet
06.05.2024

Die Sache klingt zunächst irgendwie tragisch. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen versucht, in der Lausitz in 365 Metern Höhenwinde...

DWN
Politik
Politik Verstöße gegen EU-Werte: Kommission will Verfahren gegen Polen beenden
06.05.2024

Die EU-Kommission will das Artikel-7-Verfahren gegen Polen beenden. Es war wegen etwaiger Verstöße gegen die Werte der Europäischen...

DWN
Technologie
Technologie Im Visier der Cyberangriffe: Digitale Souveränität soll im Mittelpunkt stehen
06.05.2024

Anstieg der Cyberangriffe in Deutschland: Die Politik und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik fordern verstärkte...

DWN
Politik
Politik Neues Gesicht in der CDU: Helmut Kohls Enkel will in Bundesvorstand gewählt werden
06.05.2024

Die Kinder von Helmut Kohl haben auf eine Karriere in der Politik verzichtet. Jetzt versucht der Enkel des früheren Bundeskanzlers,...

DWN
Politik
Politik Nach Angriff auf SPD-Politiker drei weitere Tatverdächtige ermittelt
06.05.2024

Sachsens Polizei hat im Fall der Attacke auf Wahlkämpfer in Dresden einen hohen Fahndungsdruck angekündigt. Das führt nun zu ersten...