Finanzen

Streit wegen Zinsen: EZB geht auf Distanz zu eigenem Ratsmitglied

Lesezeit: 2 min
10.04.2018 23:58
Die EZB hat sich in einem ungewöhnlichen Schritt von ihrem eigenen Ratsmitglied Nowotny distanziert. Dieser hatte Hoffnungen auf eine baldige Wende in der Geldpolitik geweckt.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In einem ungewöhnlichen Schritt hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) von geldpolitischen Überlegungen eines ihrer Ratsmitglieder distanziert. Österreichs Notenbank-Chef Ewald Nowotny hatte sich in einem Reuters-Interview zur Zukunft der Anleihenkäufe und möglichen Zinsschritten geäußert. Dies seien die Ansichten von Gouverneur Nowotny, erklärte ein EZB-Sprecher am Dienstag allerdings kurz nach Veröffentlichung des Interviews. Sie repräsentierten nicht die Sicht des EZB-Rats.

Der Euro grenzte daraufhin zuvor erzielte Gewinne zum Dollar ein und notierte zuletzt bei 1,2327 Dollar. Zuvor hatte die Gemeinschaftswährung zeitweise ein Tageshoch bei 1,2377 Dollar markiert.

Nowotny hatte Reuters unter anderem gesagt, die EZB werde wohl ihr billionenschweres Anleihen-Kaufprogramm bis zum Jahresende auslaufen lassen. Dies werde den Weg bereiten für die erste Zinserhöhung seit dem Jahr 2011. Dabei sollten die Währungshüter graduell vorgehen, wobei zunächst der Einlagensatz angehoben werden könne. Dabei ging er konkret auf den Einlagensatz ein: "Ich würde kein Problem damit haben, in einem ersten Schritt von minus 0,4 Prozent auf minus 0,2 Prozent zu gehen und dann als zweiten Schritt den Leitzins einzubeziehen."

Der Einlagensatz liegt seit März 2016 bei minus 0,4 Prozent. Ein negatives Vorzeichen bedeutet, dass Geldhäuser Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der EZB über Nacht überschüssige Liquidität parken. Der Leitzins für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld steht seitdem bei 0,0 Prozent.

Bislang hatte sich noch kein Ratsmitglied so detailliert zu möglichen künftigen Zinsänderungen geäußert. Dennoch ist es höchst ungewöhnlich, dass die EZB öffentlich zu Interviews der Notenbank-Gouverneure der 19 Euro-Länder Stellung nimmt.

Volkswirte erwarten aktuell, dass die EZB im Juni oder Juli ihre Pläne bekanntgeben wird, wie sie ihr auf 2,55 Billionen Euro angelegtes Anleihen-Kaufprogramm beenden will. Die Käufe waren in den vergangenen drei Jahren das zentrale Kriseninstrument der Euro-Notenbank, um die Konjunktur und die aus ihrer Sicht unerwünscht niedrige Inflation anzuschieben. Mehrere Währungshüter hatten zuletzt Übereinstimmung mit Markterwartungen signalisiert, nach denen nach einem Stop der Käufe eine erste Anhebung von Schlüsselzinsen bis etwa Mitte 2019 möglich sei.

Zum exakten Zeitplan äußerte sich Nowotny nicht. Dazu sei es noch zu früh. Zu den jüngsten Kursschwankungen an den Börsen sagte er: "Ich denke, Zentralbank-Politik muss eine mittelfristige Strategie verfolgen." Der Handelsstreit zwischen den USA und China könne aber die Wechselkurse beeinflussen. Die Turbulenzen könnten Investoren dazu veranlassen, Geld in die Euro-Zone zu bewegen. Ein starker Euro käme für die EZB in der heiklen Phase des Übergangs zu einer weniger expansiven Ausrichtung zur Unzeit. Denn das schmälert tendenziell die Absatzchancen europäischer Waren auf dem Weltmarkt und verbilligt Importe, was die Inflation dämpft.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Die Spitzenkandidaten zur Brandenburger Landtagswahl in Kurzporträts
20.09.2024

Einige sind politisch erfahren, andere betreten Neuland: Die brandenburgischen Spitzenkandidaten sollen die Zugpferde für einen Wahlerfolg...

DWN
Panorama
Panorama Von Liebfrauenmilch bis alkoholfrei: deutscher Wein im Wandel
20.09.2024

Schwimmbecken voller Wein, Exportschlager Liebfrauenmilch, Glykol-Skandal und Riesling-Boom: Das Deutsche Weininstitut blickt auf 75...

DWN
Politik
Politik Deutschland: Gesamthaushalt 2023 wächst um 0,5 Prozent
20.09.2024

Der öffentliche Gesamthaushalt von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung ist im vergangenen Jahr leicht gewachsen. Laut...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Erneuerbare Energien 2030: Fortschritt durch niedrige Kosten, gehemmt durch Politik
20.09.2024

Die Internationalen Energieagenturen berichten, dass die Verdreifachung der erneuerbaren Energiekapazitäten bis 2030 dank drastisch...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Mittelstand in der Krise: 250.000 Betriebe stehen vor dem Aus
20.09.2024

3,4 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der Wirtschaft, doch Bürokratie, Fachkräftemangel und hohe Kosten...

DWN
Politik
Politik Landtagswahl Brandenburg: AfD gewinnt Jugendwahl
19.09.2024

Das Ergebnis der Juniorwahlen in Brandenburg ist eindeutig: Junge Menschen wählen AfD. Die Grüne Partei stürzt (wiedermal) regelrecht ab...

DWN
Politik
Politik Macht er Cash oder wird er Präsident? Donald Trumps Haltefrist bei Truth Social endet
19.09.2024

Truth Social ist vermutlich Donald Trumps beste Investition gewesen, seit Jahrzehnten - ever, ever! Besser als seine Hotels und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen ifo-Geschäftsklima: Konstanter Abwärtstrend auch für Selbstständige in Deutschland
19.09.2024

Die gesamtwirtschaftliche Lage ist schlecht, von Erholung nach der Sommerpause keine Spur: Auch das Geschäftsklima bei Selbstständigen...