Politik

Russland setzt auf schwimmende Atomkraftwerke

Lesezeit: 2 min
13.05.2018 21:48
Russland hat ein schwimmendes Atomkraftwerk gebaut.
Russland setzt auf schwimmende Atomkraftwerke

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Klima  
Russland  

Das schwimmende Atomkraftwerk „Akademik Lomonossow“ hat den Hafen von St. Petersburg verlassen. Das meldet der Online-Dienst „Golem“. Schlepper ziehen das AKW durch Ostsee, Nordsee sowie Europäisches Nordmeer zum Marinehafen Murmansk. Dort sollen die zwei Reaktoren des Kraftwerks mit nuklearem Brennstoff ausgestattet werden. Nächstes Jahr soll die „Akademik Lomonossow“ ihre Reise in den rund 5000 Kilometer entfernten Hafen von Pewek (4000 Einwohner) im Nordosten Sibiriens fortsetzen. Dort soll sie den Ort, dessen Hafen und mehrere russische Außenposten sowie Bohrinseln im Arktischen Ozean mit Energie versorgen. An Bord ist auch ein Zwischenlager für atomaren Abfall. Dort können ausgediente Brennelemente bis zu zwölf Jahre gelagert werden.

Die Bauzeit für das weltweit einzige schwimmende Atomkraftwerk betrug elf Jahre. Es steht auf einem knapp 150 Meter langen und 30 Meter breiten Ponton und verfügt über zwei Reaktoren, die zusammen 30 Megawatt Strom erzeugen können. Dafür nutzen sie vergleichsweise niedrig angereichertes Uran. Für den Fall eines Unfalls existiert ein Sicherheitskonzept, das die Freisetzung von radioaktiven Partikeln verhindern soll. Das Konzept soll auch bei einer möglichen Kernschmelze funktionieren. Zur Prüfung des Konzepts wurden mehrere Unfall-Szenarien, unter anderem Erdbeben, simuliert. Das verlängerte die Inbetriebnahme um acht Jahre. Das Konzept wurde von der staatlichen „Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit“ (GRS) mit Standort im bayerischen Garching sowie der „Kanadischen Kommission für nukleare Sicherheit“ inspiziert und abgesegnet. Kritik kommt von der Umweltschutz-Organisation Greenpeace, die die „Akademik Lomonossow“ ein „schwimmendes Tschernobyl“ nennt. Weil der Meiler des AKWs nicht – wie bei Kernkraftwerken an Land üblich – von einer Betonhülle, sondern einem viel schwächeren Stahlmantel geschützt ist, könne das AKW höchstens einem Hubschrauberabsturz, aber nicht dem Absturz eines Flugzeugs standhalten.

Für den Einsatz der „Akademik Lomonossow“ hat Russland auch strategische Gründe. In der Arktis befinden sich große Öl- und Gasvorkommen. Um deren Ausbeutung wetteifern verschiedene Staaten, allen voran Russland und die USA.

Laut Greenpeace erwägt Russland, in Zukunft schwimmende AKWs in Serienproduktion zu bauen. Es habe bereits Gespräche mit Algerien, Indonesien, Malaysia und Argentinien gegeben. Auch China arbeitet derzeit an einem schwimmenden AKW. Es soll auf den Spratly-Inseln militärische Anlagen und Flughäfen mit Strom versorgen. Das Archipel im Südchinesischen Meer wird von sechs Staaten (China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Philippinen, Brunei) als ihr Territorium beansprucht. Seine Bedeutung beruht auf den großen Erz- und Erdöl-Vorkommen, die sich im Einzugsgebiet der Inseln befinden.

Die „Akademik Lomonossow“ ist nicht das erste schwimmende Atomkraftwerk. Das war die „Sturgis“ der US-Marine, die im Panama-Kanal für militärische und zivile Zwecke Strom erzeugte. 1976 wurde sie nach achtjähriger Betriebsdauer stillgelegt, weil die Stromerzeugung von da an an Land erfolgte.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Deutsch-australische Rüstungskooperation: Mehr als Boote und Panzer?
05.05.2024

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock befürwortet eine engere Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Australien, da sie betont,...

DWN
Immobilien
Immobilien Die Grunderwerbssteuer: Was Sie unbedingt wissen sollten!
05.05.2024

Jeder, der in Deutschland ein Grundstück erwerben will, zahlt darauf Steuern. Vorne mit dabei: Die Grund- und Grunderwerbssteuer. Doch was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eli Lilly, Merck und Biontech: Deutschland behauptet sich als Pharma-Standort
05.05.2024

Mehr als 250.000 Beschäftigte sind in Deutschland allein in der Pharma-Industrie beschäftigt. Dass die Branche auch in naher Zukunft...

DWN
Finanzen
Finanzen Dispozinsen: Wie sie funktionieren und wie man sie vermeidet
05.05.2024

Dispozinsen können eine teure Überraschung für Bankkunden sein, die ihr Konto überziehen. Dieser Artikel erklärt, wie Dispozinsen...

DWN
Technologie
Technologie EU-China-Beziehung: Droht ein Handelskrieg um Elektroautos?
05.05.2024

Vor Xi Jinpings Besuch in Paris bekräftigt Deutschland seine Haltung im EU-China-Streit um E-Autos. Doch wie wird die EU reagieren?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...