Medienberichte über einen möglichen Verkauf der Marinesparte von Thyssenkrupp haben am Freitag die Gewerkschaft auf den Plan gerufen. Die IG Metall forderte den Konzern auf, das Marinegeschäft voranzutreiben und die Arbeitsplätze zu sichern. Einem Insider zufolge lotet Thyssenkrupp eine komplette oder teilweise Trennung von der Sparte aus, schreibt Reuters. Grund dafür sei die Entscheidung der Bundesregierung, das Unternehmen nicht am Bau des Mehrzweckkampfschiffs MKS 180 zu beteiligen. Das Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium in Berlin wollten sich dazu nicht äußern.
"Von Thyssenkrupp erwarten wir eine klare und unmissverständliche Erklärung, dass der Konzern am Marineschiffbau festhält und weder Arbeitsplätze noch Standorte im Überwasser- und Unterwasserschiffbau in Frage stellt", sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken. Ein Sprecher der Sparte sagte, dass für Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) der Überwasserschiffbau ein zentrales Standbein sei. Der Konzern setze alles daran, bei wegweisenden Schiffbauprojekten wie dem MKS 180 seine Leistungsfähigkeit und Erfahrung einzubringen. "Nur so können wir entscheidendes Know-how für den Überwasserschiffbau in Deutschland erhalten, den die Bundesregierung als Schlüsseltechnologie bezeichnet hat."
Diesen Aspekt griff auch die Gewerkschaft auf, zumal laut Medien-Spekulationen, über die Reuters berichtet, bei einem Scheitern von Kooperationsgesprächen Thyssenkrupp unter anderem mit Wettbewerbern rund 1000 der insgesamt 6000 Jobs im Überwasserbereich auf dem Spiel stehen könnten. "Die Unternehmen und die Bundesregierung tragen die Verantwortung für das drohende Desaster im Marineschiffbau", kritisierte Geiken. Ausgelöst worden sei das Ganze durch das Verteidigungsministerium, das mit der europaweiten Ausschreibung des Milliarden-Auftrags MKS 180 das Aus des Marineschiffbaus in Deutschland billigend in Kauf nehme. "Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie den Überwasserschiffbau – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – als Schlüsselindustrie einstuft." Diese Einstufung lässt indes noch auf sich warten. In Berlin gab man sich zu den möglichen Verkaufsplänen bei Thyssenkrupp schmallippig: "Das Bundesverteidigungsministerium wird keine privatwirtschaftlichen Vorgänge kommentieren, die sich unserer Kenntnis entziehen", sagte ein Sprecher.
ThyssenKrupp zog zwar im Ringen um den Bau des MKS 180 den Kürzeren, profitierte zuletzt aber durchaus von der Politik. Anfang 2017 schmiedete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine enge Kooperation zwischen der deutschen und der norwegischen Marine, bei der TKMS vier U-Boote an das skandinavische Land verkaufen wird. Das Auftragsvolumen soll Medienberichten zufolge bei 4,33 Milliarden Euro liegen. Die Bundeswehr will zwei baugleiche U-Boote abnehmen und hat im Gegenzug den Kauf von Lenkflugkörpern des norwegischen Kongsberg-Konzerns zugesagt. Der U-Boot-Bau gilt als deutsche Schlüsseltechnologie. Ein Verkauf der Sparte ins Ausland dürfte ThyssenKrupp damit schwer fallen.
Im März war bekannt geworden, dass die Bundeswehr ThyssenKrupp vom Vergabeverfahren für den MKS-Bau ausgeschlossen hat. Derzeit läuft die Ausschreibung für Entwicklung und Bau von vier Schiffen mit der Option auf den Bau zwei weiterer Schiffe. Die ersten vier MKS 180 sollten nach früherer Planung mit rund 4,5 Milliarden Euro zubuche schlagen. Das Schiff soll in der Lage sein, Ziele in der Luft sowie über und unter Wasser zu bekämpfen und Landeinsätze zu führen. Ohne Lürssen und TKMS dürften von den drei Bieterkonsortien, die in der Vergangenheit in Sicherheitskreisen genannt worden waren, noch Blohm+Voss und die niederländische Damen-Werft sowie German Naval Yards in Kiel im Rennen sein. Blohm+Voss gehört inzwischen zu Lürssen.