Politik

Türkei profitiert von russischen Sanktionen gegen die EU

Die Türkei zieht ihren Vorteil aus den russischen Lebensmittel-Sanktionen gegen die EU. Das Land exportiert große Mengen an Obst, Gemüse und Fleisch nach Russland.
15.07.2018 19:05
Lesezeit: 2 min

Die türkischen Obst- und Gemüseexporte stiegen von Januar bis April 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 25 Prozent und erreichten einen Wert von 794 Millionen US-Dollar gegenüber 635 Millionen US-Dollar im Vorjahreszeitraum, so der türkische Uludag-Verband für Frischobst und Gemüseexporteure (UYMSIB).

Weitere Faktoren, die zu dem Anstieg beigetragen haben, waren das Vertrauen und die Wertschätzung türkischer Produkte in den europäischen Märkten und der Zugang zu neuen Märkten, berichtet die Nachrichtenagentur Anadolu.

Insgesamt wurden 1.557 Millionen Tonnen Obst und Gemüse exportiert, ein Zuwachs von 17 Prozent, teilte der Verband mit.

Im gleichen Zeitraum stiegen die Exporte nach Russland um 125 Prozent auf einen Wert von 202 Millionen Dollar. Das Volumen stieg um 91 Prozent auf rund 315.000 Tonnen.

Im Januar 2016, nachdem die Türkei ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte, verbot Russland Importe türkischer Früchte und Gemüse, einschließlich Tomaten, Orangen, Äpfel, Aprikosen, Kohl, Brokkoli, Mandarinen, Birnen, Pfirsiche, Gurken, Pflaumen, Erdbeeren, Zwiebeln, und Nelken und auch Geflügel. Russland hatte die Handelssanktionen im Sommer 2017 gelockert. Senih Yazgan, Chef des Uludag-Verbands, sagte Anadolu: „Die Exportzahlen, die letztes Jahr rund 635 Millionen Dollar betrugen, näherten sich in diesem Jahr im gleichen Zeitraum 800 Millionen US-Dollar [Januar bis April]. Es gibt also einen zusätzlichen Wert von etwa 160 Millionen Dollar. Die europäischen Märkte, der russische Markt und andere neue Märkte haben diesen Anstieg maßgeblich beeinflusst.”

Der Import von Früchten und Gemüse aus der Türkei soll erhöht werden. Das türkische Logistikunternehmen Azure Group hat zu diesem Zweck in Russland ein Kühllager mit einer Investition von umgerechnet 3,22 Mio. US-Dollar errichtet.

Die Azure Group, eine der wichtigsten Marken der Logistik in Nachbarländern wie Iran, Syrien, Irak, hat sich somit dem russischen Markt zugewandt.

Nach Angaben von Azure Group soll das Lager den türkischen Obst- und Gemüseproduzenten unterstützen, die ihre Waren in Russland und im Kaukasus absetzen.

Azure Group-Chef Erkan Gül sagte dem Blatt The Daily Sabah, der Hauptzweck dieser Investition sei es, den Handel von der Türkei nach Russland zu beschleunigen, wobei Russland nicht viele türkische Produkte kauft. „Selbst wenn dies der Fall ist, unterliegen sie einer sehr hohen Besteuerung, die zu einem Rückgang unserer Exporte führt. Mit unserer neuen Investition wollen wir dieses Exportproblem lösen”, so Gül. „Zusätzlich zu dieser Investition werden wir Transit-Handelszentren schaffen. Daher wurde das Handelsvolumen auf eine Milliarde US-Dollar festgelegt (...) Das Projekt betrifft direkt die Frischgemüse- und Obstproduzenten. Es wird auch einen Logistikbereich für Textilprodukte und Baumaterialien geben”, sagt Gül.

Türkei profitiert von russischen Sanktionen gegen die EU

Kira Kalinina schreibt in einem Beitrag von Russia Beyond über die russischen Lebensmittelsanktionen gegen die EU: „Das Verbot begrenzt erwartungsgemäß die Auswahl der Produkte im Binnenmarkt. Europäisches Obst und Gemüse wurde durch Produkte aus der Türkei, Ägypten, Marokko und Dutzenden Ländern des Nahen Ostens ersetzt.”

„Mit unseren uralten Partnern wie Südafrika, Marokko und der Türkei steigt unser Handelsumsatz jedes Jahr”, zitiert Freshplaza Iwan Gulyaew vom russischen Obstimporteur Tropic International.

Russland hatte am Donnerstag angekündigt, den seit Sommer 2014 geltenden Einfuhrstopp für Lebensmittel aus der EU bis Ende 2019 zu verlängern. Die Import-Verbote gelten für die meisten landwirtschaftlichen Produkte aus dem Westen, vor allem aus der Europäischen Union.

Bereits im Jahr 2014 berichtete die türkische Wirtschaftszeitung Dünya Gazetesi, dass die russischen Sanktionen gegen landwirtschaftliche Produkte aus der EU vor allem der Türkei Vorteile bringen werde. Der Export von türkischen landwirtschaftlichen Produkten nach Russland werde zwischen 20 und 40 Prozent steigen. Auch der türkischsprachige Dienst der Deutschen Welle (DW) berichtete, dass die Türkei von den russischen Sanktionen gegen die EU profitieren werde. „Die Boykott-Entscheidung Russlands (gegen die EU, Anm. d. Red.) hat sehr wichtige Folgen für den türkischen Lebensmittelsektor nach sich gezogen. Vor dem Boykott exportierte die Türkei etwa 50 Tonnen an Geflügelfleisch nach Russland. Im Juli 2014 stieg dieser Anteil auf 500 Tonnen, im August auf 3.000 Tonnen und im September auf 6.000 Tonnen”, so der Vorsitzende des Verbands Geflügelfleisch-Produzenten (BESD - BIR).

Andrej Beljaninow, Chef des Zolls der Russischen Föderation, sagte nach Angaben der Zeitung Hürriyet, dass Russland sich nach Verhängung der Lebensmittelsanktionen gegen die EU sich beim Import von Lebensmitteln in Richtung der Türkei orientiert habe, berichtet die Hürriyet.

 

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