Politik

Merkel gibt offenbar Kampf um den EZB-Präsidenten verloren

Bundeskanzlerin Merkel sieht offenbar keine Chance, für Deutschland den Vorsitz bei der EZB zu erstreiten.
23.08.2018 01:16
Lesezeit: 1 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte auf die von vielen Seiten erhoffte Benennung von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zum Kandidaten für den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) verzichten. Das berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf anonyme Regierungskreise.

Wegen des Widerstandes gegen Weidmann einen anderen deutschen Kandidaten für die EZB vorzuschlagen, sei für die Bundesregierung aber keine Option. Das sähe aus, als lasse sich Merkel Personalfragen diktieren. Die Personalie sei kürzlich auch Thema bei einem vertraulichen Gespräch zwischen Merkel und Weidmann gewesen.

Merkel strebt dagegen die Wahl eines Deutschen zum EU-Kommissionspräsidenten an.

"Nicht die EZB hat für Merkel oberste Priorität, sondern die EU-Kommission", zitierte die Zeitung einen hochrangigen Regierungsvertreter. Das Kommissionsamt sei politisch gewichtiger als der EZB-Posten, der vor allem Prestige bringe. Zudem sei es erfolgversprechender, einen Kandidaten für die Kommission ins Rennen zu schicken als Weidmann für die EZB.

Der Rückzug kommt nicht überraschend: Italien und Frankreich hatten bereits knapp vor der Bundestagswahl Weidmann als Nachfolger von Mario Draghi an der Spitze der EZB abgelehnt. Vertreter beider Staaten hätten dies Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinen Beamten zu verstehen gegeben, berichtete der Spiegel. Sie hätten zwar nichts gegen einen Deutschen an der EZB-Spitze, nur sollte es nicht Weidmann sein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist Investmentbanker und hat eine prononcierte Sicht auf die internationale Geld- und Finanzpolitik. Weidmann dagegen hat eher einen regionalen Ruf und hat sich bei den geldpolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre nie durchsetzen können, weil in der EZB das Mehrheitsprinzip herrscht.

Die neue italienischen Regierung fordert eine fortgesetzte Unterstützung der EZB und sieht eine Verschärfung der Geldpolitik als falsch an.

Die Befürchtung der Länder sei, dass mit Weidmann "eine flexible und pragmatische Krisenpolitik, etwa der massenhafte Ankauf von Staatsanleihen, nicht zu machen sei", berichtet der Spiegel im Herbst 2017. Damals wollen Merkel und ihr damaliger Finanzminister Wolfgang Schäuble hart bleiben. "Wir haben nur einen qualifizierten Kandidaten im Angebot, und das ist Weidmann", zitierte das Magazin Regierungskreise.

Für den Posten des Kommissionspräsidenten kursieren mehrere Namen - etwa Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Im kommenden Jahr werden mehrere europäische Top-Jobs neu besetzt, darunter der des EU-Kommissionspräsidenten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...