Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig hat am Montag der Musterprozess um Schadensersatzforderungen von Anlegern gegen Volkswagen und deren Muttergesellschaft Porsche SE begonnen. Richter Christian Jäde begrüßte zu Beginn des ersten Verhandlungstags die zahlreichen Anwälte und Mitarbeiter beider Seiten und führte in das Verfahren ein. Der 3. Zivilsenat verhandelt über eine Klage der Fondsgesellschaft Deka Invest wegen erlittener Kursverluste. Nach den Vorgaben des Braunschweiger OLG sollen knapp 1700 vergleichbare Fälle von rund 2000 Klägern geklärt werden, die Summe der Forderungen beläuft sich auf über neun Milliarden Euro. Die Kläger werfen dem Wolfsburger Konzern und dessen Hauptaktionär vor, sie zu spät über den millionenfachen Abgasbetrug informiert zu haben. In den Tagen nach Bekanntwerden von "Dieselgate" vor knapp drei Jahren in den USA waren die VW-Aktien zeitweise um mehr als 40 Prozent eingebrochen. Wegen des großen öffentlichen Interesses verhandelt das Gericht im Kongress-Saal der Stadthalle.
Für das Verfahren ist entscheidend, wann Volkswagen das Ausmaß der Abgasmanipulation und die finanziellen Folgen bewusst wurden. Davon hängt ab, zu welchem Zeitpunkt der Konzern die Börse mit einer Pflichtmitteilung informieren musste. Die Kläger - überwiegend institutionelle Anleger - werfen den Wolfsburgern vor, mit der Information zu lange hinter dem Berg gehalten und ihnen dadurch einen Wertverlust ihrer Aktien eingebrockt zu haben. Dem hält VW entgegen, die Kursrelevanz sei erst durch die Veröffentlichung der US-Umweltbehörde am Freitag, 18. September, erkennbar geworden. Die EPA hatte damals eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar angedroht. Am nächsten Börsenhandelstag - Montag, 22. September - veröffentlichten die Unternehmen eine Ad-hoc-Mitteilung.