Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt sich beim CDU-Parteitag im Dezember nicht erneut als Parteivorsitzende zur Wahl. Sie kündigte am Montag in Berlin zugleich an, sie werde bis zur Wahl 2021 Bundeskanzlerin bleiben, dann aber bei der Wahl nicht erneut antreten und auch nicht mehr für den Bundestag kandidieren. "Die vierte Amtszeit ist meine letzte als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland", sagte sie. Sie strebe auch keine anderen politischen Ämter an. Die CDU könne sich durch ihren Schritt mit neuer Führungsmannschaft auf die Zeit nach ihr einstellen. Sie selbst trage die Verantwortung für Gelungenes wie Misslungenes.
Merkel räumte ein, sie weiche von ihrer tiefen Überzeugung ab, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft in einer Hand sein sollten. Dies sei ein Wagnis, sie sei aber unter Abwägung aller Vor- und Nachteile zu dem Ergebnis gekommen, dass sie dies eingehen wolle. Sie wolle einen Beitrag dazu leisten, dass die Bundesregierung ihre Kräfte "auf endlich gutes Regieren" konzentrieren könne. Merkel sagte, es wäre ein "Treppenwitz der Geschichte", wenn man schon nach gut sechs Monaten den Stab über die Regierung brechen müsste.
Merkel sagte, nach der Wahl in Hessen, der Landtagswahl in Bayern, den Verwerfungen zwischen CDU und CSU im Sommer, der langen Regierungsbildung und dem vorangegangenen Scheitern von Koalitionsverhandlungen könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. "Ich bin überzeugt, wir müssen innehalten." Das Bild, das die Regierung abgebe, sei inakzeptabel. Manche Entwicklung der zurückliegenden Wochen und Monate hielten ihren Ansprüchen an die Qualität der Arbeit nicht stand.
Der Euro ist am Montag nur kurzzeitig durch den angekündigten Verzicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den CDU-Vorsitz belastet worden. Im Vormittagshandel fiel die Gemeinschaftswährung zunächst auf 1,1361 US-Dollar, erholte sich dann aber wieder auf 1,1395 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitagnachmittag auf 1,1345 Dollar festgesetzt.
Die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschafts-, Finanz- und Europapolitik wurden als eher gering angesehen, wie etwa Berenberg-Chefökonom Holger Schmieding ausführte. Dies gelte selbst für den Fall, dass sich Merkel als Bundeskanzlerin nicht mehr halten könne, schreibt Schmieding in einem Kommentar.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer haben hat nach Angaben aus CDU-Parteikreisen ihre Kandidatur für das Amt des Bundesvorsitzenden erklärt.
Die Nachfolge an der Parteispitze könnte auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Hamburg geregelt werden. Für den Vorsitz kandidieren will unter anderem der frühere Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. Das berichtet die dpa aus dem Umfeld von Merz. Merz ist aktuell beim Hedge Fonds BlackRock unter Vertrag.
Der 62-jährige Jurist und Finanzexperte stand von 2000 bis 2002 an der Spitze der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU - bis Merkel ihn aus diesem Amt verdrängte. Merz gilt nach wie vor als ein Kopf der Konservativen in der Partei. Die CDU-Spitze kommt an diesem Sonntag zu einer länger geplanten Vorstandsklausur zusammen.
Merkel hatte erst Ende September - vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen - durchblicken lassen, dass sie beim Parteitag erneut für den Vorsitz antreten wolle. «Ich habe gesagt, ich stehe für diese Legislaturperiode zur Verfügung und ich habe meine Meinung bezüglich der Verbindung von Parteivorsitz und Kanzlerschaft nicht geändert», sagte sie bei einer Veranstaltung der «Augsburger Allgemeinen».
SPD-Chefin Andrea Nahles gab sich mit Blick auf Merkels Schritt zunächst zurückhaltend. «Ich kann momentan nicht den Gremiensitzungen der CDU vorgreifen und möchte das deswegen an dieser Stelle nicht kommentieren», sagte sie. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte der dpa: «Wenn die Bundeskanzlerin sagt, dass sie für den Parteivorsitz nicht mehr geeignet ist, dann muss sie sich doch erst recht fragen, ob sie noch für das Kanzleramt geeignet ist.»
Im Laufe des Tages wollten die Gremien aller Parteien in Wiesbaden und Berlin über Konsequenzen aus dem Ergebnis beraten. Bei der Wahl verlor die CDU mit Ministerpräsident Volker Bouffier an der Spitze nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 11,3 Punkte im Vergleich zur Wahl 2013 und kam auf 27,0 Prozent. Die SPD mit Thorsten Schäfer-Gümbel an der Spitze erzielte 19,8 Prozent (minus 10,9). Großer Wahlgewinner wurden die Grünen mit ebenfalls 19,8 Prozent (plus 8,7).
Dank der hohen Grünen-Zugewinne ist eine Fortsetzung des seit 2013 regierenden schwarz-grünen Bündnisses in Hessen knapp möglich. Daneben kommen auch CDU und SPD sowie SPD, Grüne und FDP rechnerisch auf eine Mehrheit. Ob die Grünen allerdings mit Blick auf eine mögliche Partnerschaft mit der CDU nach Merkel den amtierenden Ministerpräsidenten Volker Bouffier stürzen werden ist zweifelhaft.