Nach den schweren Krawallen in Paris zeichnet sich kein Kompromiss zwischen der Regierung von Präsident Emmanuel Macron und den Demonstranten der sogenannten Gelbwesten ab. Ein Gespräch zwischen Ministerpräsident Edouard Philippe und Spitzenvertretern der Oppositionsparteien am Montag blieb ohne greifbares Ergebnis. Die Regierung sei nicht in der Lage zu verstehen, wie tief die Wut in der Bevölkerung sitze, sagte der Chef der konservativen Republikaner, Laurent Wauquiez. Die Gelbwesten-Bewegung, die seit Wochen immer wieder auch Straßen und Autobahnen blockiert, verlangt unter anderem die Rücknahme der Erhöhung der Benzinsteuer. Finanzminister Bruno Le Maire kündigte an, angesichts "der sozialen Krise" geplante Steuersenkungen schneller umzusetzen.
Die Unruhen haben auch wirtschaftliche Auswirkungen. Die Zahl von Hotelbuchungen geht zurück, Einzelhändler beklagen sich, Investoren zeigen sich verunsichert. Dutzende Tankstellen des Ölkonzerns Total sind inzwischen ohne Treibstoff, weil die Zufahrten zu Öllagern blockiert werden. An der ansonsten insgesamt positiv gestimmten Börse verloren Werte von Unternehmen der Tourismus- und der Verkehrsindustrie.
Der französische Ölriese Total sagte am Montag, mehrere Dutzend seiner Tankstellen seien leer. Ein Sprecher von Total sagte, Demonstranten behinderten den Zugang zu elf Tanklagern. Infolge der Unruhen waren rund 75 Tankstellen aus dem 2.200 Mann starken Netz des Landes leer, weil sie keine Vorräte erhalten konnten, fügte der Sprecher hinzu. In der Region Morbihan in der Bretagne in Westfrankreich erwägen die Behörden, die Menge zu reduzieren, die Autofahrer kaufen könnten, um zu verhindern, dass Tankstellen mehr Benzin und Diesel zur Verfügung stehen, sagte ein Beamter vor Ort.
Das einzige Ergebnis des Gesprächs mit Philippe sei das Angebot einer Parlamentsdebatte, sagte der Republikaner-Chef. Nötig seien aber Gesten, die zur Beruhigung der Lage beitragen könnten. Diese müssten die Hauptforderung einschließen, die jeder Franzose stelle: Die Streichung der Steuererhöhungen auf Treibstoff. Dies forderten auch Vertreter anderer Parteien nach ihren Gesprächen mit dem Regierungschef. Die Steuererhöhungen, mit denen Macron die Abkehr von fossilen Brennstoffen beschleunigen will, sollen zu Jahresbeginn in Kraft treten.
An ihnen entzündete sich der Protest der Gelbwesten gegen zu hohe Lebenshaltungskosten. Getragen wird die Bewegung insbesondere von Arbeitern und der Mittelschicht in der Provinz. Die Demonstranten fordern jedoch nicht nur eine Stärkung ihrer Kaufkraft, sondern mittlerweile auch den Rücktritt des Präsidenten. Manche rufen gar zur Revolution auf. Die kompromisslose Haltung des ehemaligen Investment-Bankers Macron hat die Fronten eher verhärtet. Rund 70 Prozent der Franzosen unterstützen die Gelbwesten, wie eine Befragung des Harris-Instituts nach den Krawallen am Samstag ergab.
Vermummte Randalierer hatten am Samstag in Paris die Proteste der Gelbwesten genutzt, Autos und Gebäude in Brand zu setzen und Geschäfte zu plündern. Insgesamt wurden in der Hauptstadt 10.000 Demonstranten gezählt. Seit Mitte November wird im ganzen Land protestiert - Straßen, Einkaufszentren und Fabriken blockiert. Gelbe Westen, wie sie Franzosen im Auto mit sich führen müssen, sind dabei zum Symbol des Widerstands geworden.
Am Montagabend sollen Innenminister Christophe Castaner und sein Staatssekretär im Rechtsausschuss des Parlaments zu den Krawallen Rede und Antwort stehen. Für Mittwoch hat die Regierung eine Plenardebatte darüber in der Nationalversammlung und am Donnerstag im Senat vorgeschlagen.
Die Demonstranten organisieren sich weitgehend über das Internet und haben keine legitimierten Sprecher. Einer ihrer inoffiziellen Vertreter, Christophe Chalencon, sagte dem TV-Sender BFM, er werde keine Gespräche führen, in denen nur über "Kleinkram" verhandelt werde. Am Dienstag sollen Vertreter der Gelbwesten mit Regierungschef Philippe sprechen.
Finanzminister Le Maire sagte, weniger öffentliche Ausgaben und niedrigere Steuern seien die Voraussetzungen dafür, um Frankreich wieder in die Spur zu bringen. "Je früher desto besser, denn wir spüren die Ungeduld von Millionen Franzosen in dieser sozialen, demokratischen Krise," sagte er vor Journalisten. "Wir dürfen nicht mit der einen Hand zurücknehmen, was den Beschäftigten mit der anderen Hand gegeben wurde."