Politik

Erdogan setzt sich durch: Neuauszählung nach verlorener Kommunalwahl

Erfolgreicher Protest: Nach der Schlappe bei den Kommunalwahlen in Istanbul focht die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die islamisch-konservative AKP, das Ergebnis an. Mit Erfolg: In acht von 39 Wahlbezirken wird jetzt nachgezählt.
03.04.2019 13:56
Lesezeit: 1 min

Nach der denkbar knappen Wahlniederlage seiner Partei in Istanbul muss der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die einstige Hochburg noch nicht endgültig verloren geben. Die Wahlleitung (YSK) gab am Mittwoch einem Antrag der islamisch-konservativen Partei AKP auf Nachzählung der Stimmergebnisse in acht von 39 Wahlbezirken statt. Dies gilt als Teilerfolg für die AKP, die Nachzählungen in allen Bezirken beantragt hatte. Der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu von der mitte-rechts stehenden Republikanischen Volkspartei (CHP) hatte in der 15-Millionen-Metropole den Sieg mit 25.000 Stimmen Vorsprung vor seinem AKP-Rivalen Binali Yidirim für sich reklamiert. Er forderte von der YSK, als gewählter Bürgermeister anerkannt zu werden. Kleinere Fehler bei der Auszählung änderten nichts an seinem Sieg.

Die AKP hatte die Ergebnisse im Nachhinein wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten angefochten. Das US-Außenministerium forderte die Regierung in Ankara auf, die Wahlergebnisse zu achten. Die Türkei verbat sich ihrerseits eine "Einmischung in innere Angelegenheiten". Zwischen beiden Staaten gibt es bereits seit längerem deutliche Spannungen. Zuletzt hatte die Regierung in Washington im Streit über den Kauf eines russischen Luftabwehrsystems die Lieferung von Kampfjet-Ausrüstung an die Türkei gestoppt.

"PUTSCH ÜBER WAHLEN"

Staatschef Erdogan, der 2016 einen Putschversuch abwehrte, hatte den Urnengang im Wahlkampf zur "Frage des Überlebens" stilisiert. Doch neben Istanbul musste die AKP auch in der Hauptstadt Ankara nach vorläufigen Ergebnissen eine Niederlage einstecken. Auch dort hat sie eine Neuauszählung beantragt. In dem regierungstreuen Blatt "Yeni Safak" wurden Verbindungen zwischen der Wahlschlappe und dem Umsturzversuch von 2016 gezogen. Von einem "Putsch über Wahlen" war die Rede. Als Urheber wurden Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen ausgemacht, den Erdogan auch als Drahtzieher des Putschversuchs vor drei Jahren beschuldigt.

Der Staatschef hatte vor den Wahlen auch den Westen pauschal scharf verurteilt, den er für die jüngsten Währungsturbulenzen in dem in eine Rezession gerutschten Land verantwortlich macht. Zugleich hatte er der heimischen Notenbank nahelegt, die hohe Inflation im Land mit einer Senkung des derzeit bei 24 Prozent liegenden Leitzinses zu bekämpfen. Als übliches geldpolitisches Mittel in solchen Situationen gelten allerdings Zinserhöhungen.

Im März zog die Jahresteuerung auf 19,71 Prozent an. Anleger reagierten mit zusätzlichen Lira-Verkäufen auf den überraschenden Anstieg. Ein Dollar verteuerte sich um bis zu 0,9 Prozent auf 5,6527 Lira und ein Euro um ein Prozent auf 6,3462 Lira. Analysten warnten vor negativen Folgen, falls die Notenbank dem Druck Erdogans nachgeben und die Leitzinsen zur Ankurbelung der schwächelnden Konjunktur senken sollte. Dann müsse mit einem weiteren Lira-Ausverkauf gerechnet werden.

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