Finanzen

Brexit: Handels-Algorithmen können Datenflut nicht mehr bewältigen

Lesezeit: 2 min
14.04.2019 09:16
Viele Computer, welche sich auf den Handel mit britischen Pfund spezialisiert haben, können die Datenflut zum Brexit nicht mehr bewältigen.

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Das politische Hickhack rund um den Brexit bringt selbst Roboter an ihre Grenzen. Die schiere Masse an Nachrichten über den EU-Ausstieg der Briten stellt Computer, die über Algorithmen mit Devisen handeln, vor völlig neue Herausforderungen. Seit Wochen hängt das Schicksal der britischen Währung an verworrenen Abstimmungen von Politikern, die bislang nie auf der Bühne der Finanzmärkte in Erscheinung getreten sind. Einige Hedgefonds haben sich Brancheninsidern zufolge deshalb aus dem Billionen-Dollar-Markt schon zurückgezogen.

"Die unzähligen Brexit-Headlines in den Nachrichten machen den computergestützten Handelssystemen einen Strich durch die Rechnung, da die Modelle auf historischen Daten basieren", sagt Neil Jones, leitender Devisenhändler bei der japanischen Bank Mizuho. Die Algorithmen der Computer - in der Fachsprache auch Algos genannt - werten seit einiger Zeit zudem nicht nur klare Fakten wie Konjunkturdaten oder Mitteilungen von Zentralbanken aus, sondern versuchen, aus Nachrichten im Internet Impulse für den Handel mit Aktien oder Währungen zu ziehen.

Problematisch wird dies, wenn viel zu viele Texte mit dem betreffenden Schlagwort veröffentlicht werden. So publizierte allein die Nachrichtenagentur Reuters in den vergangenen Wochen pro Tag manchmal bis zu 400 Artikel zum Brexit. Bevor die ganze Welt auf die Abstimmungen im britischen Unterhaus geschaut hat, waren es gerade einmal um die 15 Texte täglich.

Außerdem "menschelt" es den Handelsrobotern bei den hitzigen politischen Debatten in London zu sehr. Selbst eingefleischte Analysten und Händler durchschauen das öffentliche Gezerre um einen Ausstiegstermin nicht mehr. So reichte vor wenigen Wochen ein lauter "Order"-Ruf des bis dato unbeachteten Parlamentssprechers John Bercow, um das Pfund in den Keller zu schicken. Und als Ex-Brexit-Minster Raab Anfang November nach einem Kabinettstreffen nur seinen Daumen hob und dies über den Kurznachrichtendienst Twitter in die Welt verbreitet wurde, ging das Pfund durch die Decke. "Man kann zu Recht behaupten, dass man das wechselhafte April-Wetter auf der Insel verlässlicher prognostizieren kann, als den weiteren Fortgang der Brexit-Saga", sagt BayernLB-Analyst Manuel Andersch.

Offizielle Daten, wie viele Milliarden am Devisenmarkt durch die Nachrichten-lesenden Roboter hin- und hergeschoben werden, gibt es nicht. Drei von Reuters gefragte Banker in London gehen davon aus, dass diese Art des Handelns weniger als zehn Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. Angesichts der aktuellen Komplexität des Brexit-Dramas dürfte der Anteil derzeit noch geringer sein. Laut einem Devisenhändler einer großen britischen Investmentbank sind manche seiner Kunden aus dem Algo-Trading ausgestiegen. "Die Frage ist, ob man als verantwortlicher Händler das Risiko bei dieser komplexen Brexit-Geschichte auf Computerprogramme verlagern will", sagt David Leigh, Chefhändler bei der Deutschen Bank. "Vermutlich nicht."

Die Zurückhaltung der Investoren lässt sich an konkreten Zahlen erkennen: Während das Handelsvolumen für das Pfund vor dem Brexit-Referendum im Juni 2016 laut Berechnungen des Datenanbieters CLS noch täglich bei rund 100 Milliarden Dollar lag, waren es im Februar nur noch 65 Milliarden Dollar. Die Schwankungsanfälligkeit der britischen Währung hat sich - im Gegensatz zu anderen Bereichen an den Finanzmärkten - seit Ende Februar mehr als verdreifacht und ist so hoch wie seit rund zwei Jahren nicht. Das Pfund verlor seit dem Votum der Briten für den EU-Ausstieg rund 13 Prozent an Wert auf rund 1,30 Dollar.


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