Politik

Notstand: Portugal spricht von Euro-Austritt

Lesezeit: 2 min
08.04.2013 14:15
Die Portugiesen setzen der EU das Messer an: Wenn gespart werden soll, dann ist auch ein Austritt aus dem Euro möglich. Es zeigt sich, dass die Ablehnung durch das Verfassungsgericht offenbar eine clevere Finte der Regierung war, um das Spardiktat aus Brüssel zu brechen.
Notstand: Portugal spricht von Euro-Austritt

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Entscheidung des portugiesischen Verfassungsgerichts von vergangener Woche hat die EU alles andere als erfreut. Das Gericht lehnte einige geplante Sparpläne der Regierung ab. Die EU-Kommission will aber nicht nachgeben und ermahnte den portugiesischen Premier Pedro Passos Coelho vielmehr, das Verfassungsgericht doch wieder auf Linie der Politik zu bringen (hier).

Da das Verfassungsgericht sich gegen die Sparpläne wendete und die EU-Kommission nicht bereit ist, nachzugeben und das Programm zu lockern, wächst der Druck auf Coelho. Die Bevölkerung protestiert gegen die Sparmaßnahmen, aber ohne diese Einsparungen dreht die Troika den Geldhahn zu. Aus diesem Grund wendete sich Coelho am Sonntag in einer TV-Rede an die Nation.

Euro-Austritt oder 2. Rettungspaket drohen

Coelho verwies darauf, dass der 2011 vereinbarte Bailout erforderlich war, um „einen nationalen Zusammenbruch zu vermeiden“ und  „Portugal im Euro zu halten“. Portugal sei in „Abhängigkeit von den Finanzgeldern der europäischen Länder“. Dreimal verwendete eher allein das Wort „Notstand“, um die Dramatik der aktuellen Situation zu unterstreichen. Portugal riskiere, wenn es nicht weiter spart, einen Zusammenbruch, einen Euro-Austritt oder aber die Notwendigkeit eines weiteren Rettungspaketes, zitiert ihn der EUObserver.

Ein zweites Rettungspaket müsse allerdings vermieden werden, so Coelho. „Ich kann nicht zulassen, dass wir die Opfer, die wir in den vergangenen Jahren erbracht haben, einfach wegwerfen“. Deshalb werde die Regierung wohl weitere Einsparungen bei der sozialen Sicherheit, der Gesundheit und der Bildung vornehmen. Steuern werde man jedoch nicht erhöhen, da diese die Wirtschaftliche Erholung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze gefährden würde.

Coelho - doppeltes Spiel?

Zwar betonte Coelho in seiner Rede, die Entscheidung des Gerichts aus Gründen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit  zu respektieren. Aber gleichzeitig warf er den Richtern vor zusätzliche Zerbrechlichkeit, Unsicherheit, Unberechenbarkeit und Risiken in das aktuelle Dilemma Portugals gebracht zu haben. Außerdem, so Coelho, seien auch einige Verfassungsrichter mit der Entscheidung des Gerichts vergangenen Freitag nicht einverstanden gewesen. Mit diesen Worten unterstützt er die Position der EU-Kommission, dass das Gericht derzeit im Interesse der Politik handeln müsse.

Tatsächlich vermuten Beobachter, dass Pedro Passos Coelho ein doppeltes Spiel betreibt: Je dramatischer seine Appelle werden, desto mehr drängt sich der Verdacht auf, dass die Verfassungsrichter im Auftrag der Regierung gehandelt haben - oder dass zumindest die Regierung beim Beschluss der "Sparmaßnahmen" bereits mit deren Verfassungswidrigkeit geliebäugelt haben könnte.

Denn auch diesem Weg kann Coelho in Richtung Brüssel den harten Hund geben, und muss zugleich achselzuckend bekennen, dass ihm - leider, leider! - die Hände wegen des Verfassungsgerichts gebunden sind.

In jedem Fall zeigt di Entwicklung in Portugal, dass sich die Erfinder der EU herzlich wenig Gedanken darüber gemacht haben, wie die Verfassungen der Nationalstaaten in das EU-Konstrukt eingebunden werden sollen.

Im Zweifel, so hat man wohl gedacht, brechen wir die Verfassungen einfach: Die Aufforderung Brüssels an Coelho, die Richter auf Linie zu bringen, ist jedenfalls nicht gerade vom Geist der Gewaltenteilung durchdrungen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Wider den Hedonismus: Warum Wehrpflicht (und Zivildienst) Deutschland wieder auf Spur bringen
15.01.2025

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), vom russischen Überfall auf die Ukraine richtig geschockt, die Zeitenwende für Deutschland ausrief,...

DWN
Technologie
Technologie Wie ehemalige IT-Nerds der russischen Suchmaschine Yandex den KI-Markt Europas aufmischen
14.01.2025

Russische IT-Nerds bauen in Amsterdam das KI-Unternehmen Nebius auf. Informatiker um den Yandex-Suchmaschinen-Gründer Arkadi Wolosch...

DWN
Finanzen
Finanzen Bafin-Kontenvergleich: Alle Girokonten in Deutschland im Überblick
14.01.2025

Die Finanzaufsicht Bafin bringt Transparenz in den Kontomarkt: Mit dem neuen Bafin Kontenvergleich können Verbraucher alle Girokonten in...

DWN
Politik
Politik Russischer Außenminister Lawrow: "USA wollen nach Nord-Stream Gaspipeline TurkStream zerstören"
14.01.2025

Russlands Außenminister Lawrow beschuldigt die USA, mit ukrainischen Drohnenangriffen die Gasleitung TurkStream lahmlegen zu wollen....

DWN
Politik
Politik CDU-Heizungsgesetz: Wie die Union das Heizungsgesetz abschaffen will - und warum das schlecht wäre
14.01.2025

Das Habecksche Heizungsgesetz, offiziell Gebäudeenergiegesetz (GEG), gilt seit Januar 2024. Die CDU plant, das GEG bei einer möglichen...

DWN
Politik
Politik Weitere Ukraine-Hilfe? Pistorius zu Besuch in Kiew spricht sich dafür aus
14.01.2025

Ukraine-Hilfe 2025: Verteidigungsminister Boris Pistorius bleibt optimistisch, was die Fortsetzung der Unterstützung für die Ukraine...

DWN
Politik
Politik NATO-Gipfel: Schutz für Ostsee-Infrastruktur geplant
14.01.2025

Nato schützt sich künftig besser vor Sabotageakten gegen wichtige Infrastruktur wie Kabel und Pipelines. Deutschland steuert mit...

DWN
Panorama
Panorama Stasi-Akten sichern: Der historische Moment der Besetzung der Stasi-Zentrale
14.01.2025

Am 15. Januar 1990 stürmte das Volk die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und sicherte wertvolle Stasi-Akten für die spätere...