Weil die Zahl der Bauprojekte weltweit erheblich steigt, wird der für die Herstellung von Beton benötigte Rohstoff Sand zunehmend knapper. Seit Ende der 1990er Jahre hat sich die Nachfrage verdreifacht und macht Sand - gemessen am Volumen - nach Wasser zum mittlerweile am zweitmeisten gehandelten Gut überhaupt. Und der Hunger nach Sand hört nicht auf, im Gegenteil: Jedes Jahr nimmt er um rund 5,5 Prozent zu. Derzeit soll China mehr Beton verbrauchen, als die USA im gesamten 20. Jahrhundert - und für die Herstellung von Beton sind große Mengen Sand unabdingbar.
Kürzlich hat das „Umweltprogramm der Vereinten Nationen“ (UNEP) einen Bericht vorgelegt, in dem vor den Folgen eines verstärkten Abbaus von Sand in dringlichen Tönen gewarnt wird. Die Umweltschäden seien verheerend. Pascal Peduzzi, einer der Autoren des Berichts, findet folgende plastischen Worte: „Unsere Gesellschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut.“ Und die stellvertretende Direktorin von UNEP, die Mikrobiologin Joyce Msyua, sagt: „Wir verarbeiten den Sand schneller, als wir ihn verantwortungsbewusst abbauen können.“
An dieser Stelle könnte man fragen, warum der wertvolle Rohstoff nicht einfach den Wüsten dieser Welt entnommen wird. Allein die Sahara mit ihrer Fläche von 9,2 Millionen Quadratmetern (genau 25mal so groß wie die Bundesrepublik) müsste doch genügend Sand liefern können.
Tut sie auch. Allerdings nicht die Art von Sand, die sich für den Gebrauch in der Bau-Industrie eignet. Der Sand der Sahara (wie auch der Sand anderer Wüsten) zeichnet sich durch eine gerundete Geometrie und eine glatte Oberfläche aus - Bau-Sand benötigt jedoch kantige Kornstrukturen. In der Vergangenheit wurden zwar eine Reihe von Verfahren entwickelt, mit denen sich Wüstensand so bearbeiten lässt, dass er als Bau-Sand verwendet werden kann. Allerdings eignete sich bisher keines dieser Verfahren zur Bearbeitung von großen Mengen - sie funktionieren mehr oder weniger nur im Labor, nicht in der Praxis.
Jetzt könnte allerdings eine Lösung für das Problem gefunden sein. Der deutsche Chemiker Helmut Rosenlöcher ist auf die Idee gekommen, Sand zunächst noch feiner zu mahlen, ihn anschließend mit mineralischen Bindemitteln anzureichern und zu Pellets zu pressen, die dann unter Zugabe von Zement und Wasser von Hochgeschwindigkeitsmischern zu Beton verarbeitet werden. Die Mischer sind die zweite wichtige Entwicklung. Sie rotieren weitaus schneller als bisher gebräuchliche Mischer und machen den Gebrauch des Wüstensands erst möglich.
Um seine Idee zu vermarkten, hat Rosenlöcher mehrere Patente angemeldet und zusammen mit seinem Partner Leopold Halser die Firma „MultiCON“ gegründet. Das Unternehmen mit Sitz in München arbeitet eng mit „Haver & Boecker“ zusammen. Das 1887 gegründete Familien-Unternehmen mit Sitz in Oelde, Westfalen, stellt unter anderem Siebmaschinen für die Rohstoff- und Grundstoff-Industrie her. Es produziert auch die Anlagen, für die „MultiCON“ laut Rosenlöcher jetzt Aufträge akquiriert hat.
„Wir werden eine Anlage nach Ägypten liefern und eine in die Vereinigten Arabischen Emirate“, sagte Rosenlöcher den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Darüber hinaus stehen wir im Kontakt mit Saudi-Arabien und mit Kuwait.“ Für den 72jährigen aus Weißenfels (Sachsen-Anhalt), der nach eigenen Angaben „seit 40 Jahren beruflich mit Beton zu tun“ hat, ist das von ihm entwickelte Verfahren geeignet, „die Sand-Misere zu beenden“.
Eine Belastung für die Natur stellt übrigens nicht nur der Sandabbau an sich dar. Auch der Transport von großen Mengen Sand ist nicht gerade umweltfreundlich - so mussten für den Bau des höchsten Gebäudes der Welt, des Burj Khalifa in Dubai, riesige Mengen von Sand per Schiff aus dem circa 10.000 Kilometer entfernten Australien geliefert werden.
Rosenlöcher betont, dass mit Hilfe seiner Erfindung nicht nur Wüstensand, sondern auch Feinsand für den Einsatz in der Bau-Industrie genutzt werden kann. Und das hat durchaus Bedeutung für Deutschland. Hierzulande gibt es nämlich gewaltige Reserven an Feinsand - unter anderem fallen sie beim Beton-Recycling an - die bisher ungenutztes Abfallprodukt waren. Der Sandverbrauch in der Bundesrepublik beträgt deutlich mehr als 200 Millionen Tonnen pro Jahr, wobei immer mehr Sandgruben ausgeschöpft sind und stillgelegt werden. Neue Gruben in Betrieb zu nehmen, stößt zunehmend auf Widerstand der Bevölkerung, während der Import von Sand teuer und - wie oben gesehen - in mehrfacher Hinsicht umweltschädlich ist. Deshalb könnte Rosenlöchers Erfindung auch in Deutschland eine wichtige Rolle spielen - zumal es alles andere als unwahrscheinlich ist, dass angesichts des immer knapper werdenden Wohnraums die Bautätigkeit hierzulande früher oder später stark anziehen wird.