Deutschland

E-Offensive: Erste Zulieferer stoppen Investitionen, bauen Stellen ab

Die von der Politik geforderte Abschaffung des Verbrennungsmotors hat die deutschen Automobilzulieferer in die Krise gestürzt. Die Unternehmen müssen Investitionen stoppen und Arbeitsplätze abbauen.
17.06.2019 17:20
Lesezeit: 3 min

Die von der Politik erzwungene und mit Subventionen geförderte E-Offensive bereitet der deutschen Autoindustrie Kopfzerbrechen. Wenn in die Verbrennertechnologie nicht mehr investiert wird, wackeln in Regionen wie dem Saarland und Rheinland-Pfalz die Arbeitsplätze bei großen und kleinen Zulieferern, aber nicht nur dort.

Sorgen macht sich beispielsweise Rudolf Marx, Betriebsratschef des kleinen Schaeffler-Werks Morbach im Hunsrück. Der fränkische Zuliefer-Riese hat die Investitionen in Kupplungsbeläge für Handschalter gestoppt, weil dieses Segment nicht mehr als zukunftsträchtig gilt. Nach Schätzungen des Arbeitnehmervertreters hängen aber 200 der 300 Morbacher Arbeitsplätze an diesem Segment, sodass dringend nach Alternativen gesucht werden müsse.

Marx ist sich sicher, dass das vorhandene Wissen über Materialien und Prozesse auch für andere Produkte nutzbar wäre. “Wir laufen sonst Gefahr, dass unser Werk langsam ausblutet und irgendwann geschlossen wird”, zitiert die dpa Marx. Besonders interessant ist, dass die Schaeffler Friction Products GmbH bisher einen weltweiten Marktanteil im Sektor für Kupplungsbeläge in Höhe von 30 Prozent inne hatte. Es wurden bisher etwa 30 Millionen Kupplungsbeläge produziert. “Wir liefern überall hin, wo Autos produziert werden”, zitiert die Zeitung Volksfreund (Partner von RP Online) den Leiter für die Produktion für Kupplungsbeläge, Jochen Klee.

Beim Turbo-Spezialisten Borg Warner im pfälzischen Kirchheimbolanden gehen die Geschäfte schon schlechter, sagt die örtliche Gewerkschaftssekretärin Birgit Mohne. Leiharbeiter werden nicht weiterbeschäftigt, und auch die Stammbelegschaft ist nur noch bis Ende 2021 vor Entlassungen geschützt. “Wir suchen nach Zukunftsprojekten”, so Mohne. Doch die Entscheidungen der Konzernleitung in den USA ließen immer noch auf sich warten.

Das benachbarte Saarland mit rund 44.000 Auto-Beschäftigten hängt wie kaum eine andere Region am Verbrennungsmotor. Laut einer aktuellen IW/Fraunhofer-Studie entfallen rund 40 Prozent des Umsatzes von knapp 17 Milliarden Euro auf Sparten, die stark vom Wandel betroffen sein werden. Dazu zählen Fabriken für Motoren, Getriebe oder Abgasnachbehandlung, allein Bosch beschäftigt in Homburg mehr als 4.700 Menschen vorwiegend in der Dieseltechnologie. Insgesamt umfasst der Auto-Sektor 260 Unternehmen, Spezialisten für zukunftsträchtige Automatisierung oder Fahrzeugvernetzung sind kaum darunter.

Die Autoren der Studie geben der Region zehn Jahre Zeit, den Wandel konkret zu gestalten, weil nach ihrer Einschätzung auch 2030 noch 40 Prozent der neuen Autos einen Verbrenner als Antrieb haben werden. Weitere 35 Prozent sind in diesem Szenario als Hybride unterwegs, reine Elektroautos machen nur rund ein Viertel aus. Der evolutionäre Wandel brächte Zeit, sich nach neuen Produkten und Geschäftsideen umzuschauen. Sollte es wesentlich schneller gehen mit der Dekarbonisierung, drohen an der Saar massive Umsatz- und Jobverluste.

Im ZF-Werk Saarbrücken mit rund 9.000 Beschäftigten setzt man auf den Hybridantrieb: 800 Millionen Euro sollen in den nächsten vier Jahren investiert werden, um den Standort fit zu machen für den Wandel von konventionellen hin zu teil-elektrischen Pkw-Antrieben. Der Produktionsanteil an Hybridgetrieben in Saarbrücken werde sich nach Auskunft einer Sprecherin in den kommenden Jahren von derzeit 5 auf 50 Prozent erhöhen. Grundlage ist der größte Auftrag der Unternehmensgeschichte von BMW, die für einen zweistelligen Milliardenbetrag hybridoptimierte Getriebe bestellt haben.

E-Offensive und Abbau von Arbeitsplätzen

Im Ford-Werk Saarlouis werden gerade 1.600 der noch 6.000 Arbeitsplätze gestrichen, weil sich der Kompakt-Van C-Max nicht mehr verkauft. Laut Sprecher Marko Belser soll nach den Werkferien vom 29. Juli an von einem Dreischicht- auf ein Zweischicht-System umgestellt werden.

Für den Standort sieht Belser dennoch gute Perspektiven: “Da unser Werk in Saarlouis zu den effizientesten Produktionswerken in der gesamten Autoindustrie zählt, sind wir sehr zuversichtlich, was die Zukunft des Standorts angeht”, sagt er. Natürlich spiele Elektrifizierung dabei eine Rolle. Den ersten Schritt bilde dabei der Ford Focus Mild-Hybrid, der Anfang nächsten Jahres kommen soll. Die IG Metall sieht das Werk für die nächsten fünf Jahre abgesichert. Die Beschäftigten sind noch bis Ende 2021 vor Kündigungen geschützt.

“Die Forderung nach einem Wandel geht manchem schnell von den Lippen, aber oftmals ist der Weg noch gar nicht klar”, so der Geschäftsführer Martin Schlechter vom Arbeitgeberverband ME Saar.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...