Der Europäische Binnenmarkt ist wirtschaftlich gesehen ein Erfolgsmodell. Im Jahr 2018 haben die vier Säulen, auf denen er ruht - freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr - die 28 EU-Mitgliedsstaaten um 643 Milliarden Euro reicher gemacht (das entspricht 4,05 Prozent des EU-Bruttosozialprodukts von 15,87 Billionen Euro). 132 Milliarden davon entfielen auf Deutschland (das entspricht 3,90 Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts von 3,385 Billionen Euro).
Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), Gabriel Felbermayr, kommentiert diese Zahlen folgendermaßen: „Der Binnenmarkt ist das Kronjuwel der EU-Integration.“
Felbermayr hat die Auswirkungen des Binnenmarkts in einer ausführlichen Studie untersucht. Diese zeigt, dass alle EU-Mitglieder aus dem gemeinsamen Markt Nutzen ziehen. Sie zeigt aber auch, dass dieser Nutzen nicht auf alle Länder gleichermaßen verteilt ist. Tendenziell lässt sich sagen, dass kleine Länder sowie die seit 2004 der EU beigetretenen Länder Ost- und Mitteleuropas vom Binnenmarkt besonders profitieren.
Besonders hohen Gewinn bringt der Binnenmarkt Luxemburg - das Großherzogtum würde durch die Abschaffung des Markts 19,7 Prozent seines Pro-Kopf-Einkommens verlieren. Schlimm wären die Folgen auch für Malta - auf der Mittelmeerinsel betrüge der Verlust 14,3 Prozent. Auch die ehemals kommunistischen Staaten Ost- und Mittel-Europas würden von der Abschaffung des Marktes stark in Mitleidenschaft gezogen werden - hier eine Auswahl: Ungarn 10,6 Prozent, Tschechien 9,5 Prozent, Slowakei 9,5 Prozent, Estland 7,8 Prozent, Slowenien 7,7 Prozent und Polen 5,9 Prozent.
Die Einkommenseffekte für die vier größten Volkswirtschaften der EU würden weitaus geringer ausfallen: Für Deutschland würden sie - wie oben bereits erwähnt - 3,9 Prozent betragen, für Frankreich 2,9 Prozent und für Italien 2,5 Prozent. Am wenigsten stark wäre tatsächlich EU-Austrittskandidat Großbritannien betroffen (2,3 Prozent).
Die Studienautoren nehmen dies zum Anlass, die europäische Politik dazu aufzufordern, „durch ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten auch den Ländern einen Zugang dazu (zum Binnenmarkt - Anm. der Red.) zu ermöglichen, denen die Kompetenzverlagerung auf die supranationale Ebene zu weit oder zu schnell geht. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf das Vereinigte Königreich und den Brexit.“