Im Streit um die europäischen Topjobs hat der Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, eine gegen den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gerichtete Breitseite veröffentlicht. Seit dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche sei das Spitzenkandidatenprinzip "vermeintlich begraben", schrieb Weber in einem Gastbeitrag für die "Welt" vom Mittwoch. "Bisher haben diejenigen obsiegt, die destruktiv unterwegs sind und etwas verhindern wollen."
Macron hatte sich schon vor der Europawahl vehement dagegen gewehrt, dass nur ein Politiker, der zuvor Spitzenkandidat seiner Partei war, zum Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gewählt werden soll. Beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche hatte der französische Präsident dann zahlreiche Regierungschefs auf seine Seite gezogen, es gab keine Einigung über die Juncker-Nachfolge. Macron sprach sich sogar offen gegen Weber aus.
Weber schrieb dazu in dem Gastbeitrag: "Teile des Europäischen Rates wollen die Idee des Spitzenkandidatenprinzips, dass nur ein Kandidat, der vor der Wahl Gesicht gezeigt hat, Kommissionspräsident werden kann, einfach vom Tisch wischen." Das Ergebnis der Europawahl werde damit aber "irrelevant", und auch die massiv gestiegene Wahlbeteiligung spiele plötzlich keine Rolle mehr. "Transparenz und Demokratie würden hintangestellt", kritisierte Weber.
"Die EU ist auf bestem Wege zurück zur Entscheidungsfindung im Hinterzimmer. Die Frustration von Wählern ist absehbar", fügte der CSU-Politiker hinzu. Die Folgen für die europäische Demokratie und für die EU insgesamt wären "verheerend". Konkret schreibt Weber dazu: "Manche Radikalen würden daraus unweigerlich Profit schlagen. Dann wären die Verlierer der Europawahlen plötzlich die Gewinner."
Der CSU-Politiker und EVP-Fraktionschef im EU-Parlament bekräftigte zugleich seinen Anspruch, die EU-Kommission ab November als Juncker-Nachfolger zu führen. Das Spitzenkandidatenprinzip sei "bestimmt nicht perfekt, aber die bisher mit Abstand beste Idee zur Demokratisierung der EU, da endlich Verantwortlichkeiten aufgezeigt und Entscheidungen in die Öffentlichkeit gezogen werden", schrieb Weber.
Die Konservativen hatten bei der Europawahl die meisten Sitze im Europaparlament geholt. Allerdings ist es Weber bisher nicht gelungen, sich die erforderliche Unterstützung anderer Parlamentsfraktionen zu sichern. Für Sonntag ist nun ein Sondergipfel zu der schwierigen Personalfrage geplant.
Am Mittwochabend will Weber bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem EVP-Präsidenten Joseph Daul in Berlin über das weitere Vorgehen beraten. Nach Angaben aus CDU-Kreisen soll das Treffen um 19.30 Uhr im Kanzleramt beginnen.