Wegen Lieferengpässen häufen sich in Deutschland Fälle, bei denen Patienten ihre Medikamente nicht erhalten. Betroffen sind offenbar vor allem verschiedene Standardimpfstoffe, Blutdrucksenker, Antibiotika, das Schmerzmittel Ibuprofen sowie Medikamente für Krebspatienten und Allergiker.
"Wir haben derzeit eine Unmenge an Lieferengpässen bei Medikamenten", zitiert die FAZ einen Apotheker, der in verschiedenen Frankfurter Filialen tätig ist. Zwar versucht er stets, seinen Patienten zu helfen, etwa indem er vergleichbare Präparate anderer Anbieters sucht. Doch es werde immer komplizierter, Lösungen zu finden.
Medikamentenversorgung kein regionales Problem
Die Probleme bei der Medikamentenversorgung sind aber mitnichten auf das Rhein-Main-Gebiet beschränkt, wie aus einer Antwort des hessischen Sozialministers Kai Klose (Die Grünen) auf eine Anfrage der SPD im Landtag hervorgeht.
"Das Problem der Lieferengpässe ist kein regionales", so der Minister. Die hessische Landesregierung habe das Thema Klose schon vor einiger Zeit in die Gesundheitsministerkonferenz eingebracht, die jährliche Konferenz der amtierenden Gesundheitsminister aller Bundesländer.
Klose verweist auf eine Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Medikamentenhersteller sollen dort frühzeitig Liefer- oder Produktionsengpässe melden. Derzeit finden sich auf dieser Liste 200 Medikamente mit Versorgungsproblemen, darunter etwa Ibuprofen AL 400 Filmtabletten.
Doch Apotheker vermuten, dass in Wirklichkeit weit mehr Medikamente betroffen sind. „Es fehlt alles Mögliche“, zitiert die FAZ die Mitarbeiterin einer Darmstädter Apotheke. Manchmal dauere es bis zu 20 Minuten, um ein einziges Rezept zu bearbeiten. Denn sie müsse bei jedem einzelnen Medikament erst nachschauen, ob die Ware lieferbar ist.
"Wir versuchen zu besorgen, was noch zu besorgen ist", so die Apothekerin. Um das gesuchte Medikament zu besorgen, müsse sie mitunter erst beim Hersteller anrufen oder bei anderen Apotheken. In anderen Fällen halte sie Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, um über eine Alternative zu beraten.
Was sind die Gründe?
Die hessische Landesapothekerkammer meldet in erster Linie Schwierigkeiten bei der Medikamentenversorgung mit blutdrucksenkenden Mitteln. Im letzten Jahr musste eine große Charge solcher Produkte wegen Verunreinigung zurückgerufen werden, wovon sich der Markt noch nicht wieder erholt hat.
In solchen Fällen dauert es oft lange, bis der Bedarf wieder gedeckt werden kann. Denn von den rund 500 verschreibungspflichtigen Wirkstoffen, die offiziell als versorgungsrelevant eingestuft werden, haben etwa 300 nur höchstens drei Hersteller. Wenn eine Produktionsstätten nicht liefern kann, wirkt sich das unmittelbar aus.
Laut dem hessischen Gesundheitsminister Kai Klose sind die Zunahme regulatorischer Anforderungen, Verteilungs- und Lagerprobleme und ein steigender Preis- und Rabattdruck weitere Gründe für die aktuellen Lieferengpässen in der Medikamentenversorgung.
Zwar stehen dem Minister zufolge "in den allermeisten Fällen alternative Arzneimittel anderer pharmazeutischer Unternehmer für die Versorgung der Patienten zur Verfügung". Doch besonders ältere Patienten mit chronischen Erkrankungen sind verunsichert, wenn ihre Tablette plötzlich eine andere Form oder eine andere Farbe hat.
Als Reaktion auf die zunehmenden Fälle von Medikamenten-Knappheit hat Ärztepräsident Klaus Reinhardt in der vergangenen Woche den Aufbau einer nationalen Arzneimittelreserve gefordert.
"Für relevante Medikamente sollte man eine nationale Arzneimittelreserve aufbauen, um die Versorgung der Bevölkerung jederzeit gewährleisten zu können", sagte der Präsident der Bundesärztekammer der Rheinischen Post. Das Problem der Arzneimittelknappheit werde immer größer.
Engpässe gebe es etwa bei antibiotischen Substanzen und bei Bluthochdruckpräparaten. Bei diesen Präparaten gebe es "vielfach Qualitätsprobleme, weil sie außerhalb Europas unter völlig anderen Standards als unseren hergestellt" würden. Probleme mit der Verfügbarkeit herrschten auch immer wieder bei Impfstoffen.