Am Tag vor dem Zinsentscheid der EZB wächst die Zurückhaltung der Anleger. Durchwachsene Firmenbilanzen hielten sie ebenfalls vor größeren Engagements ab. Die Hoffnung auf Bewegung im Zollstreit zwischen den USA und China stützte aber den Markt und verhinderte Kursverluste. Dax und EuroStoxx50 notierten am Mittwochvormittag jeweils kaum verändert bei 12.492 und 3524 Punkten.
Zuletzt hatten Spekulationen auf neue Konjunkturhilfen der Europäischen Zentralbank die Kurse angeschoben. Investoren taxieren die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB den Zins für Einlagen bei der Notenbank auf minus 0,5 von minus 0,4 Prozent senken wird, auf etwa 50 Prozent. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank rechnet jedoch erst für September mit einem solchen Schritt. Im Dezember könnte die EZB noch einmal nachlegen. "Hinweise darauf dürften jedoch bereits morgen zu hören sein."
Vor diesem Hintergrund fiel der Euro auf 1,1135 Dollar und notierte damit nur noch knapp über seinem Zwei-Jahres-Tief vom Mai. Das Pfund Sterling hielt sich mit 1,2452 Dollar ebenfalls nur knapp über seinen jüngsten Tiefständen. Zwar setzten Anleger darauf, dass das britische Unterhaus auch unter dem neuen Premierminister Boris Johnson einen ungeregelten Brexit am 31. Oktober verhindern werde, sagte BayernLB-Analyst Wolfgang Kiener. Neuwahlen wären aber sicher die Folge. "Deren Ausgang ist erstens schwer vorhersagbar und würde zweitens wohl von einer erneuten Brexit-Fristverlängerung im Einvernehmen mit der EU begleitet werden." Dieses Szenario signalisierten auch die Kurse an den Terminmärkten, sagte Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen.
Gefragt war dagegen die "Antikrisen-Währung" Gold. Sie verteuerte sich um 0,5 Prozent auf 1424 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Investoren bezweifelten, dass sich die Positionen der USA und Chinas bei den Zollverhandlungen rasch annäherten, sagte ein Börsianer. Außerdem machten sie die Spannungen zwischen dem Westen und dem Iran nervös. Der verschärfte Iran-Konflikt verteuerte die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee um 0,5 Prozent auf 64,14 Dollar je Barrel (159 Liter).
Der Radikalumbau samt Streichung tausender Jobs hat die Deutsche Bank im zweiten Quartal noch tiefer in die roten Zahlen gerissen als gedacht. Der Konzernverlust lag bei 3,15 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 401 Millionen ein Jahr zuvor. Zudem bekam die Bank ihren Ausstieg aus dem Aktienhandel schon vorzeitig zu spüren. Vorstandschef Christian Sewing will keine Zeit verlieren: "Wir beginnen nicht erst mit der Transformation - nach nur zwei Wochen sind wir schon mittendrin", schrieb er am Mittwoch bei der Vorlage der Zwischenbilanz in einem Brief an die Mitarbeiter.
Am Finanzmarkt kamen die Nachrichten schlecht an. Die seit Jahren gebeutelte Deutsche-Bank-Aktie verlor am Morgen zeitweise fast sechs Prozent und lag etwas später noch mit rund 4 Prozent im Minus bei 6,82 Euro. Damit blieb sie mit Abstand Schlusslicht im Dax. Zwar hat sich ihr Kurs seit dem Anfang Juni erreichten Rekordtief von 5,801 Euro ein ganzes Stück erholt. Allerdings kämpft das Papier immer noch mit den Kursverlusten, die es nach Bekanntgabe des Sanierungsplans Anfang Juli erlitten hat.
Covestro-Papiere gewannen 2,5 Prozent. Der Gewinneinbruch des Kunststoff-Herstellers sei nicht so stark ausgefallen wie befürchtet, schrieb Analyst Heiko Feber vom Bankhaus Lampe. Die bekräftigten Gesamtjahresziele erschienen erreichbar.