Finanzen

Ökonom gibt Entwarnung: Deutschland steckt nicht in der Rezession

Lesezeit: 2 min
27.08.2019 16:53
Deutschland steckt nicht in der Rezession, sondern in der Abbauphase einer überhitzten Konjunktur. Das sagt ein führender Forscher des Kieler „Institut für Weltwirtschaft“.
Ökonom gibt Entwarnung: Deutschland steckt nicht in der Rezession
Stefan Kooths vom "Institut für Weltwirtschaft" (IfW Kiel) (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts sprechen für sich - Wachstum sieht anders aus: Das Brutto-Inlandsprodukt ist im zweiten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum ersten Quartal um 0,1 Prozent gesunken. Verglichen mit dem Vergleichsquartal des Vorjahrs gibt es zwar keinen Rückgang, aber auch kein Plus: 0,0 Prozent stehen zu Buche. Besonders die große Stütze der deutschen Wirtschaft, der Export, lahmt: Im Vergleich zum Vergleichsquartal des Vorjahrs ergibt sich ein Minus von 1,8 Prozent, wie das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in einer Pressemitteilung berichtet. Weiter heißt es: „Die Unternehmen gehen laut den ifo-Exporterwartungen, die im Juli auf den niedrigsten Stand seit der Finanzkrise gefallen sind, auch für die kommenden Monate von keinem Exportzuwachs aus.“ Auch vom Verarbeitenden Gewerbe gibt es laut BMWi keine guten Nachrichten: „Das Geschäftsklima trübte sich im Juli noch weiter ein.“ Und was die Beschäftigtenzahlen angeht: Zwar gingen diese weiter nach oben, aber, so das BMWi: „Einen geringeren Zuwachs gab es zuletzt vor drei Jahren.“

Grund zur Sorge? Nicht für den Leiter des Prognosezentrums des „Institut für Weltwirtschaft“ (IfW Kiel), Stefan Kooths. Anders als der Großteil der Experten, für die der Beginn des Konjunktureinbruch in diesem Jahr stattfand, glaubt der Kieler Forscher, dass „die Konjunktur den Wendepunkt bereits Anfang 2018 überschritten hatte, so dass die deutsche Wirtschaft nunmehr seit mehr als einem Jahr im Abschwung ist.“ Den Begriff „Rezession“ vermeidet der Wissenschaftler, und zwar ganz bewusst. Er spricht stattdessen von einer „konjunkturelle Abkühlung“, die „angesichts der vorangegangenen Überhitzung noch kein Grund zur Sorge ist“. Die Überhitzung habe sich unter anderem in einer „Überauslastung der Produktionskapazitäten“ gezeigt; derzeit gehe die Entwicklung der Industrie hin zu einer Normalauslastung. Kooths Fazit: „Anlass zu konjunkturpolitischem Aktionismus besteht damit nicht.“

Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sprach sich Kooths dagegen aus, jetzt staatliche Investitionsprogramme zu initiieren, weil diese vor allem der Bauwirtschaft zugutekämen: „Und der geht es gut - zusätzliche Aufträge vom Staat würden eher zu einer Überhitzung der Branche führen.“ Der Exportwirtschaft unter die Arme zu greifen, sei unnötig, so der Volkswirt: „Die schafft es aus eigener Kraft.“ Selbst wenn in der ersten Jahreshälfte 2020 der Dienstleistungs-Sektor schwächeln und es tatsächlich zur Rezession kommen sollte, bedürfe es keines staatlichen Eingreifens - ein gewisses konjunkturelles Auf und Ab sei vollkommen natürlich und inhärenter Bestandteil des wirtschaftlichen Geschehens, so der Ökonom.

Kooths sagte den DWN, dass die als Antwort auf die Finanzkrise aufgelegten Konjunkturprogramme der Jahre 2008 und 2009 viel zu spät angefangen hätten, zu wirken: „Im Grunde erst dann, als die Krise schon lange vorbei war.“ Viel wirkungsvoller als solcher von der Krise und von aufkommender Panik getriebener Aktionismus sei deshalb „stetiges staatliches Handeln“, und zwar in guten Zeiten als Vorbereitung auf schlechte Zeiten, und in schlechten Zeiten als Stütze der Konjunktur.

Insgesamt stellt Kooths sowohl der Politik als auch den Wählern kein gutes Zeugnis in wirtschaftspolitischer Hinsicht aus. Beide würden viel zu kurzfristig denken. Die Politiker, weil sie ihr Handeln primär an den nächsten Wahlen ausrichten würden; die Bürger, weil sie kurzfristig dächten. Der Ökonom: „An Investitionen, die langfristig wirken, haben deshalb beide nur wenig Interesse. Oder anders ausgedrückt: Mehrheiten für eine langfristig ausgerichtete Politik sind kaum zu bekommen.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...