Politik

EU will Facebook-Daten der Nutzer auswerten

Die EU will persönliche Daten aus sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter in die Vorratsdatenspeicherung einbeziehen. Weil dies die Grundrechte-Charta der EU verletzt, arbeitet Brüssel an dem Vorhaben unter strenger Geheimhaltung.
26.04.2013 03:00
Lesezeit: 1 min

Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung wird reformiert. Die Richtlinie solle vereinheitlicht werden („harmonise“).  Eine „neue Expertengruppe“ soll neue Leitlinien ausarbeiten und der Kommission vorlegen. „Technologien der elektronischen Kommunikation ändern sich schnell“, daher änderten sich auch die „Anforderungen an die Kontrollbehörden“, heißt es in dem EU-Dokument, das den Deutschen Wirtschafts Nachrichten vorliegt. Was dahinter steckt: Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sollen in die Vorratsdatenspeicherung mit einbezogen werden. Das ist bislang nicht der Fall, berichtet der ORF.

Diese Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung soll ohne bestimmte Voraussetzungen auf alle Nutzer angewendet werden. Die Novelle der bereits 2006 beschlossenen EU-Richtlinie wird daher nötig, weil sich das Nutzerverhalten in den sieben Jahren grundsätzlich vom Emailverkehr auf die sozialen Netzwerke verlagert hat.

Überwachung ist empirisch nutzlos

Die offizielle Begründung der EU für den Zugriff auf die neuen Kommunikationskanäle der Bürger klingt simpel: Die neuen Technologien würden diesen Eingriff erforderlich machen, damit dem gesetzlichen Auftrag der Strafverfolgung auch weiterhin nachgekommen werden könne.

Allerdings gibt es gar keine Fundamentaldaten, die Bestätigen, dass die Vorratsdatenspeicherung jemals eine Senkung der Straftätigkeiten herbeigeführt hätte. In Deutschland sei die Aufklärungsquote sogar in den zwei Jahren gesunken, in denen es die Vorratsdatenspeicherung gegeben hat, berichtet der ORF.

Verstoß gegen Grundrechte

Außerdem müsste der gesamte Internetverkehr der Nutzer, ohne Ausnahmen, für sechs Monate gespeichert werden. Ein Vorhaben, das bereits vor Jahren geplant, wegen Verstößen gegen die Grundrechte-Charta der EU jedoch wieder verworfen wurde. Auch in Deutschland wurde die Vorratsdatenspeicherung nach zwei Jahren letztendlich als verfassungswidrig erklärt. Wegen der Verstreichung von Fristen bei der Einführung hat die EU Deutschland verklagt (mehr hier).

Die Ausweitung auf die sozialen Netzwerke ist daher ein in sich widersprüchliches Unterfangen: Die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten werden einer Erweiterung einer EU-Richtlinie nicht zustimmen, die gegen fundamentales Recht verstößt. Und dennoch: Die neue Expertengruppe der EU arbeitet unter „professioneller Geheimhaltung“ weiter daran, heißt es in dem Dokument.

Vermutlich geht es der EU vor allem um eines: Aus Facebook und den sozialen Netzwerken kann Brüssel am besten erkennen, ob sich irgendwo eine Aufstand zusammenbraut.

Da will die EU gewappnet seit, und gibt Facebook dafür ein dickes LIKE, weil die Bürger glauben, in den sozialen Netzwerken mehr Freiheit zu haben als auf dem Bezirksamt.

Das könnte ein Irrtum sein: Das Netz kann schneller zur Schlinge um den eigenen Hals werden, als es sich manch ein redseliger Basis-Demokrat träumen kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...