Ein britisches Gericht hat die eigene Regierung aufgrund von EU-Recht verurteilt. Die Luft-Verschmutzung in den Städten des Landes sei zu hoch. Es drohen harte Strafzahlungen. Der Fall zeigt, welchen Einfluss Brüssel bereits in der nationalen Gesetzgebung der EU-Staaten ausübt.
Die britische Regierung sei seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen, die Bürger vor den schädlichen Folgen der Luftverschmutzung zu schützen. Zu diesem Urteil kamen am Mittwoch fünf Richter des Obersten Britischen Gerichtshofs. Es ist das erste Mal dass ein britisches Gericht der eigenen Regierung Versagen beim Erfüllen der EU-Luft-Vorschriften bescheinigt.
Öko-Gruppen sind begeistert. „Diese historische Entscheidung (…) ebnet den Weg dafür, dass die EU-Kommission gerichtlich gegen Großbritannien vorgehen kann“, zitiert der Guardian James Thornton, den Chef der Öko-Lobby ClientEarth. Die EU müsse nun einen wirkungsvollen Plan erarbeiten, wie die Menschen vor den Krebs erregenden Diesel-Abasen geschützt werden können.
Auch Jenny Jones von den Grünen ist erfreut über die Unterstützung aus Brüssel: „Das ist eine großartige Nachricht für Kinder und gefährdete Menschen mit Atem- und Herzkreislauf-Problemen, die in verschmutzten Gegenden wohnen.“
Das Urteil heißt nun, dass Großbritannien deftige Strafen an Brüssel zahlen muss. Britische Städte könnten zudem verpflichtet werden, die Luftverschmutzung deutlich zu reduzieren. Sie müssten möglicherweise Autos aus den Innenstädten verbannen und die Belieferung durch Lastkraftwagen beschränken. Der Europäische Gerichtshof müsse die Sache nun im letzten Detail klären, urteilte das britische Gericht.
In dem Fall geht es um 16 britische Städte – darunter London, Manchester, Birmingham und Glasgow. Pläne der Regierung zeigen, dass in diesen Städten die zulässigen Grenzen für Stickstoff-Dioxid noch bis 2020 oder 2025 überschritten werden.
Mit der Entscheidung wird deutlich, dass die EU-Kommission bereits wirkungsvoll in der Lage ist, einzelnen Städten Detail-Vorschriften wie die einer Umwelt-Zone aufzuerlegen. Auch wenn dies im Fall der Umwelt für eine vermeintlich gute Sache ist: Umwelt-Zonen sind eigentlich klassische kommunale Angelegenheiten. Es ist Aufgabe und Verantwortung der lokalen Politik, für die Gesundheit der Bürger zu sorgen.
Wenn in diesem Bereich das Prinzip der Subsidiarität so offenkundig nicht mehr funktioniert, belegt dies ein ziemlich jämmerliches Scheitern der englischen Kommunalpolitiker.
Das Urteil des britischen Obersten Gerichtshofes ist ein weiterer Beleg, dass Brüssel in Großbritannien ziemlichen Regulierungsbedarf sieht. Die Brüsseler Finanztransaktions-Steuer, die von London strikt abgelehnt wird, könnte ebenfalls massive Auswirkungen auf Großbritannien haben. Eine gerichtliche Entscheidung dazu steht noch aus (mehr hier). Und auch im Hinblick auf das Bankgeheimnis hat sich Brüssel gegen London durchgesetzt. Großbritannien muss künftig die EU mit Informationen über Inhaber von Bankkunden versorgen (mehr hier).
Es ist vor diesem Hintergrund wenig erstaunlich, dass sich einer neuesten Umfrage auch die Mehrheit der britischen Unternehmen gegen einen Verbleib in der EU ausspricht. Allerdings sollte sich die Unternehmen auch fragen, was sie ohne das Feindbild Brüssel gegen ihre eigenen Politiker unternehmen wollen. Sie haben Großbritannien in den vergangenen Jahren in die vollständige Abhängigkeit von der Finanzwirtschaft in der City of London geführt.
Hätte London andere Industrien mit derselben Hingabe gefördert wie das große globale Kasino, müsste sich das Land jetzt nicht von der EU vorführen lassen.
Dass zu viele Autos auf kleiner Fläche zu viel Gestank produzieren, dürfte auch den britischen Nasen nicht entgangen sein.