Politik

Nach Bürger-Protest: EU will mit Wasser-Privatisierung nichts zu tun haben

Der EU-Kommission ist der Schreck in die Glieder gefahren: 1,5 Millionen Stimmen gegen die Wasser-Privatisierung haben dazu geführt, dass die EU einen Rückzieher macht. Die Kommunen sollen selbständig entscheiden, ob sie die Wasserversorgung privatisieren wollen. Für die Konsumenten ist damit wenig gewonnen.
21.06.2013 17:30
Lesezeit: 2 min

EU-Binnenmartkommissar Michel Barnier hat heute in einer Erkärung zur geplanten Konzessionsrichtlinie erklärt, dass die Grundwasserversorgung davon ausgeschlossen sein soll. Fall es tatsächlich so kommt, bedeutet das einen Erfolg für die 1,5 Millionen EU-Bürger, die sich in einem europaweiten Bürgerbegehren gegen jegliche Privatisierungspläne äußerten. Mögliche Privatisierungen bleiben damit vor allem in hochverschuldeten Ländern den Kommunen selbst überlassen.

Die Kommission habe zu keinem Zeitpunkt vorgeschlagen, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen  wie der Wasserversorgung zu erzwingen oder auch nur zu fördern, sagte Barnier in seiner Stellungnahme:

„Die Entscheidung darüber, wie öffentliche Dienstleistungen erbracht werden sollen, liegt ganz allein bei den Mitgliedstaaten und ihren Städten und Gemeinden. Und das wird auch so bleiben. (...)

Trotz der zahlreichen Änderungen am Richtlinienvorschlag, und aller Beiträge der politischen Parteien im Europäischen Parlament und vom Rat, bin ich zu der Auffassung gekommen, dass der derzeitige Text zur Wasserversorgung niemanden zufriedenstellt: Er vermittelt nicht die von den Bürgerinnen und Bürgern erwarteten Garantien und würde obendrein zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen.“

Anfang des Monats stimmte bereits die deutsche Bundesregierung den EU-Plänen zur Wasserversorgung zu. Zuvor hatte sie das Vorhaben lange abgelehnt. In einem entsprechenden Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es dazu, Barnier habe auf die Bedenken der Länder und Kommunen reagiert und sei ihnen weit entgegengekommen. Eine generelle Ausnahme des Wasser-Sektors bedeutet nun eine komplette Abkehr von den ursprünglichen Plänen.

Die Debatte rund um die umstrittene Richtlinie wird seit mehr als zwei Jahren geführt. Darin ist vorgesehen, die Kommunen bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen zu Ausschreibungs-Verfahren zu verpflichten. Die einheitlichen Regeln sollen der in einigen EU-Ländern oftmals korrupten Vergabepraxis bei öffentlichen Aufträgen entgegenwirken. Die Richtlinie würde für verschiedene Bereiche wie Abfall- und Abwasser-Entsorgung, ursprünglich aber eben auch für die Versorgung mit Trinkwasser gelten.

Die Gegner des Vorhabens wollten genau jene generelle Ausnahme für den Trinkwasser-Bereich erwirken, die Barnier nun verspricht. Dabei wurde oftmals auch unwahrheitsgemäß unterstellt, die EU wolle die Kommunen zu einer Privatisierung zwingen. Tatsächlich sind die Gefahren, die in Verbindung mit einer Übernahme der Wasserversorgung durch Privatunternehmen verbunden sind, aber nicht von der Hand zu weisen.

So werden die Forderungen nach einer kompletten Ausnahme der Wasserversorgung von allen Privatisierungsplänen auch von unabhängigen Fachleuten geteilt. Für Christian Schröder, Sachverständiger für Trinkwasser, ist die kritische Reaktion der Öffentlichkeit deshalb keine Überreaktion. „Trinkwasser muss eine hoheitliche Aufgabe bleiben. Das gilt besonders für Deutschland, das eine hervorragende Versorgungsqualität aufweist“, sagte Schröder den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Die Bestrebungen der Konzerne, die Trinkwasserversorgung in erster Linie zu einem Geschäft zu machen, seien in anderen Ländern eindeutig erkennbar. Auch in Deutschland habe man schon schlechte Erfahrungen gemacht, allen voran in Berlin.

Die Debatte um die Wasser-Privatisierung zeigt auch die Strukturen auf, unter denen heute Politikvermittlung betrieben wird. Medial wurde die Neugestaltung der Vergabe-Regeln erst als Zwangs-Privatisierung hochgespielt. Dann genügte die politisch motivierte Absichtserklärung Barniers, um eine Kehrtwende der EU zu verkünden. Der abgeänderte Vorschlag sollte ein Kompromiss, die Zustimmung der Bundesregierung nur nach erfolgreicher Intervention bei der EU erfolgt sein. Nun verkündet Barnier die engültige Ausnahme des Wasser-Sektors.

Den Verhandlern in den Brüsseler Hinterzimmern kann dieses mediale Tauziehen nur Recht sein, lenkt es doch davon ab, dass die Öffentlichkeit längst kaum mehr etwas mitzureden hat. Die Gefahren, die mit einem verstärkten Eintritt privater Unternehmen in den Bereich der Trinkwasser-Versorgung einhergehen, bleiben bestehen. Das gilt vor allem für jene hochverschuldeten Länder, die sich unter den Auflagen des IWF zu Privatisierungen gezwungen sehen (mehr hier). Gleichzeitig führt auch das derzeitige Staats-Monopol zu überhöhten Gebühren (hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...