Deutschland

Berlin: Polizist erschießt nackten Mann - war das unvermeidlich?

Lesezeit: 2 min
29.06.2013 19:50
Ein offenbar verwirrter Mann war nackt und mit einem Messer in der Hand in den Neptunbrunnen am Alexanderplatz gestiegen. Als er auf einen Polizisten zulief, erschoss der Polizist den Mann. Ein Video zeigt, dass man dem Polizisten eigentlich keinen Vorwurf machen kann. Das gesamte Verhalten der Polizei wirkt jedoch außerordentlich unkoordiniert.
Berlin: Polizist erschießt nackten Mann - war das unvermeidlich?

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Am Freitag hat ein Polizist in Berlin einen nackten Mann erschossen. Dieser war mit einem Messer in der Hand auf ihn zugelaufen.

Der Mann habe zunächst auf einer Bank in der Grünanlage am Neptun-Brunnen gesessen, zitiert die Berliner Morgenpost einen Augenzeugen. „Ohne auch nur einen Laut von sich zu geben, hat der Mann mit einem etwa 20 Zentimeter langen Messer herumhantiert und sich mehrere Verletzungen am Arm zugefügt.“

Anschließend sei der Mann von der Bank aufgestanden und in Richtung Neptunbrunnen gegangen. Dort habe sich er ausgezogen sei „mit dem Messer in der Hand in das Wasserbecken gestiegen“, so der Augenzeuge. Dann habe er sich mehrfach mit dem Messer in den Hals gestochen.

„Zu diesem Zeitpunkt sind die Polizisten eingetroffen und haben versucht, ihn zu besänftigen“, sagte der Zeuge. Doch der Nackte sei mit dem Messer in der Hand direkt auf einen Beamten zugegangen. Die gezogene Waffe des Polizisten ignorierte er. Der Polizist schrie noch: „Messer weg!“ Dann schoss er auf den nackten Mann, der nach einigen Sekunden tödlich verletzt zu Boden ging.

Der 31-jährige Berliner sei an einem Lungendurchschuss gestorben, sagte die Staatsanwaltschaft. Das habe die Obduktion ergeben. Es gebe noch keine Erkenntnisse darüber, dass der Mann unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol gestanden habe.

Polizei und Rettungswagen waren vor Ort, nachdem eine Passantin wegen des offenkundig verwirrten Mannes Alarm geschlagen hatten.

Wie Polizisten ihre Dienstwaffe einsetzen dürfen, ist gesetzlich geregelt. „Ein Polizist darf in Ausübung seiner hoheitlichen Aufgabe auf einen Menschen schießen, um ein Verbrechen zu verhindern oder um den Einsatz von Schusswaffen oder Explosivmitteln durch die Person zu verhindern“, erklärt Oesten Baller, Professor für Polizeirecht an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Wie die Situation bei Angriffen mit Messern bewertet werden muss, sei umstritten, sagte Baller. Zwar gelte auch für Polizeibeamte das Notwehrrecht, das für jedermann gültig ist. Doch in manchen Situationen müsse auch zu Pfefferspray oder zum Schlagstock gegriffen werden, statt die Schusswaffe zu benutzen.

Ein Augenzeuge hat die Szene in einem Video festgehalten und auf Youtube festgehalten. Wenn man diese Szene betrachtet, kann man für die Reaktion des Polizisten Verständnis aufbringen: Der Mann stürmt raschen Schrittes auf den Polizisten zu, der in der Szene überfordert wirkt.

Was man jedoch nicht versteht: Warum ist der Polizist überhaupt zu dem Mann im Brunnen gestiegen? In der Szene sieht man, dass andere Polizisten die Szene aus einiger Entfernung beobachten. Direkt neben dem Mann steht ein zweiter Polizist. Warum hat dieser Beamte dem Mann nicht ins Bein geschossen - um ihn kampfunfähig zu machen, als der Verwirrte auf seinen Kollegen losging? Auch die anderen Polizisten halten ihre Waffen im Anschlag, unternehmen jedoch nichts - obwohl sie selbst keinesfalls bedroht sind.

Gibt es keine anderen Einsatzpläne, einen Mann mit einem Messer zu überwältigen, als ihn aus kürzester Entfernung zu erschießen?

Das tragische Ereignis zeigt, dass auch die modernste Technologie und die besten Schusswaffen nicht ausreichen, um einen solchen Fall zu deeskalieren. Die Polizei sollte statt dem ständigen Terror-Gefasel besser geschult werden, um mit den alltäglich realen Fällen von Gewalt fertig zu werden.

Die Polizeischulen sollten sich an Vorbildern von pseudo-coolen US-Cops orientieren, die bei jeder Gelegenheit die Waffe ziehen und jeden noch so harmlosen "Verdächtigen" anbrüllen wie verrückt, damit er sich erschreckt - ein Verhalten, das auch der Polizist im Brunnen an den Tag legte; und das schließlich zum fatalen Fehler führte.

Wie sich an dem Vorfall in Berlin zeigt, besteht die größte Gefahr für Leib und Leben immer noch in den unberechenbaren Handlungen von verwirrten Personen.

Mit Terrorismus hat das alles nichts zu tun.

Im Interesse des Wohlergehens der Bürger sollten die deutschen Polizei-Behörden aus der Phantom-Welt des Terrorismus zurückkehren in die Normalität des Alltags-Stresses ist Deutschland.

Einen nackten Verwirrten mit einem Messer muss man nicht aus zwei Metern erschießen.

Nicht in einer realen Welt, in der es oberste Polizisten-Pflicht ist, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn es um das Leben der Bürger geht. Sonst gerät auch hierzulande die Gesellschaft bald komplett aus den Fugen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...