Politik

Sotschi: Zwangsumsiedlungen wegen der Olympischen Spiele

Die Russen haben viele Milliarden in die Umgestaltung der Schwarzmeer-Stadt Sotschi gesteckt, wo bald die Olympischen Winterspiele stattfinden werden. 2.000 Familien wurden bereits umgesiedelt, weil ihre Wohnungen bei den Bauarbeiten zerstört wurden.
12.08.2013 09:27
Lesezeit: 1 min

Im kommenden Februar werden die Olympischen Winterspiele in der russischen Stadt Sotschi am Schwarzen Meer stattfinden. Tausende Familien wurden wegen der Bauarbeiten zur Vorbereitung der Spiele bereits umgesiedelt. Viele erhielten dabei nicht einmal eine Abfindung.

Die Behörden haben 51 Milliarden Dollar in die Umgestaltung von Sotschi gesteckt, um Hotels, Straßen und eine Schnellzuganbindung zu bauen, berichtet die FT. Die Stadt mit 350.000 Einwohnern war einst ein beliebtes Ziel des kommunistischen Diktators Stalin.

Nach Angaben des Bürgermeisters hat Sotschi mehr als 21 Milliarden Rubel (480 Millionen Euro) für die Umsiedlung von Bürgern in neue Wohnungen ausgegeben. Circa 2.000 Familien sind bereits umgesiedelt worden, so Human Rights Watch. Zwar wurden die meisten entschädigt. Doch einige, deren Wohnungen zerstört wurden, haben nichts bekommen. Das Geld scheint ausgegangen zu sein.

Bereits im Februar letzten Jahres gab es einen gewaltigen Erdrutsch, der viele Wohnhäuser zerstörte. Die Stadt stellt fest, dass die Bauarbeiten für die Olympischen Spiele dafür verantwortlich waren. Eine Baufirma wurde angewiesen, die Bewohner zu entschädigen. Doch ein Bezirksgericht hob diese Entscheidung auf und sagte, der Erdrutsch sei durch natürliche Faktoren ausgelöst worden. Die Anwohner waren machtlos.

Bürgermeister Anatoly Pakhomov verteidigte die Gerichte: In einer Demokratie und in einem Rechtsstaat müssten die Entscheidungen der Gerichte auch umgesetzt werden. Der normale Bürger könne denken, es sei die Schuld der Bauarbeiten. „Doch ein Gericht zieht viele Experten zu Rate und trifft eine sachkundigere Entscheidung“, sagte Pakhomov.

Ein anderes Problem ergibt sich für die Bewohner der Akatsia-Straße. Ihr Wohnblock steht zwar noch. Doch in den vergangenen fünf Jahren sind sie Schritt für Schritt von den Bauarbeiten eingeschlossen worden. Zunächst waren sie neugierig. Sie dachten, sie würden umgesiedelt werden. Doch dann wurde ihnen klar, dass dies nicht passieren würde.

In den ehemaligen Kasernen wohnen 36 Einwohner, darunter elf Kinder. Derzeit ist der einzige Zugang zu dem Wohnblock eine Lücke im Beton. Doch in einigen Wochen soll diese geschlossen werden. Auf der einen Seite befindet sich dann die Eisenbahnstrecke, auf der anderen Seite eine neue Straße. „Wir werden einen Hubschrauber rufen müssen“, sagt eine Anwohnerin.

Auch wenn das Bauprojekt ihre Wohnungen unbewohnbar macht, haben sie bisher keine Entschädigung erhalten. Denn die Wohnungen werden ja nicht beschädigt. Bürgermeister Pakhomov sagte nun jedoch, man werde versuchen, die Bewohner umzusiedeln. Davon würden allerdings nur die Mieter profitieren. Entschädigungen für nicht mehr bewohnbare Eigentumswohnungen sind offenkundig nicht vorgesehen.

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