Deutschland

Deutschland: Kluft zwischen Arm und Reich nimmt zu

Lesezeit: 2 min
07.09.2013 04:01
Eine Studie des IMK kommt zu dem Schluss, dass die Einkommensunterschiede seit der Wiedervereinigung stark angestiegen sind. Die Zahl der Beschäftigten auf Teilzeitbasis oder in Zeitarbeit stiegt seit 1991 . Die Zahl der Mini-Jobber nahm rapide zu. Die Folgen sind Altersarmut und Überschuldung.
Deutschland: Kluft zwischen Arm und Reich nimmt zu

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich seit der Wiedervereinigung stark vergrößert. Zu diesem Schluss kommen die Autoren Kai Daniel Schmidt und Ulrike Stein vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in ihrer jüngsten Studie. Demnach stieg die Zahl der Teilzeitkräfte, Zeitarbeiter und Mini-Jobber kontinuierlich an. Das könnte katastrophale Folgen für die Gesellschaft haben: Die Forscher warnen eindringlich vor Altersarmut und Überschuldung.

Die Studie basiert auf der Auswertung von Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das DIW befragt jährlich mehrere Tausend Haushalte in Deutschland nach ihrer Einkommenssituation. Zuletzt nahmen daran etwa 12.000 Haushalte teil. Die Autoren der Studie fokussieren sich in ihrer Analyse auf den Zeitraum von 1991 bis 2010. Sie versuchen dabei die treibenden Faktoren für die steigende Ungleichheit der Einkommen auszumachen.

Ihre Schlussfolgerung lautet, dass die Ungleichheit der Haushaltsnettoeinkommen in besagtem Zeitraum um 13 Prozent zugenommen hat. Als Gründe dafür führen die Autoren den Anstieg von Mini-Jobs, Teilzeit- und Zeitarbeit an. Die sogenannte „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes“ in Form der Agenda 2010 hat diesen Trend noch einmal verschärft.

Zeitgleich sind die Kapitaleinkommen gestiegen. Davon wiederum profitierten nur Wohlhabende, die es sich leisten konnten in Finanzprodukte zu investieren. Einen weiteren Grund für die steigende Ungleichheit sehen die Autoren im Steuersystem. Die beschlossenen Steuersenkungen hätten vor allem höhere Einkommen und Vermögen entlastet. Während der Spitzensteuersatz im Zeitraum zwischen 1991 und 2010 um elf Prozent gesenkt wurde, wurde der niedrigste Steuersatz lediglich um fünf Prozentpunkte verringert. Darüber hinaus wurde die Vermögenssteuer im Jahr 1997 gänzlich abgeschafft und Kapitalgewinne immer geringer besteuert. Schließlich hat die Mehrwertsteuer-Erhöhung von 2007 einkommensschwache Haushalte deutlich stärker getroffen als Haushalte aus den höheren Einkommensschichten.

Auch die von der Bundesregierung viel beschworene Rekordbeschäftigung ändert nichts an der Lage der einkommensschwachen Haushalte. Denn die ist auf den Anstieg des Niedriglohnsektors zurückzuführen (mehr hier). Die Menschen sind zwar vermehrt in Lohn und Brot, arbeiten im Schnitt aber weniger Stunden als früher oder in kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnissen. Zudem verdienen sie schlechter als 1991. Die Reallöhne in Deutschland sinken seit 20 Jahren, während die stetige Inflation und die Währungsreform von 2001 das Einkommen der Haushalte spürbar schmälerten.

Die Rekord-Beschäftigung wurde also teuer erkauft.

Auf diesen Trend weisen Ökonomen seit geraumer Zeit hin, denn er birgt gesellschaftlichen Sprengstoff. Auch die Autoren der Studie verweisen auf die erhöhte Gefahr der Überschuldung von einkommensschwachen Haushalten. Dadurch seien sie im höheren Alter auf die Hilfe der Sozialsysteme angewiesen oder dem Risiko der Altersarmut ausgesetzt. Ob die Sozialsysteme diese Mehrbelastung jedoch verkraften, darf bezweifelt werden. Denn es müssen sich auch noch genügend gut bezahlte Arbeitnehmer finden, die die Sozialkassen füllen und die Steuerlast tragen.

Indes kann sich das obere Prozent der Bevölkerung zurücklehnen und das Geld für sich arbeiten lassen.

Doch Geld arbeitet nicht.

Jemand muss dafür arbeiten.

Und das ist vor allem die stetig schrumpfende Mittelschicht (hier). Sie muss die Transferleistungen an die zunehmend Armen leisten, die Steuerkassen des Staates füllen und die leistungslosen Zinszahlungen der Reichen bedienen. Dabei sieht sie sich mit steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen und höheren Mieten konfrontiert (hier). Noch trägt sie diese Entwicklungen, doch wie lange noch ist ungewiss.

Und so geht die Umverteilung von Fleißig nach Reich weiter, während immer mehr Menschen in Deutschland verarmen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Leerstand in Innenstädten: Decathlon setzt auf Expansion gegen die Krise
24.11.2024

Leerstand prägt deutsche Innenstädte. Doch Decathlon sieht Chancen: Bis 2027 sollen mehr als 60 neue Filialen entstehen – viele davon...

DWN
Finanzen
Finanzen DWN-Sonntagskolumne: The Rational Investor - warum Emotionen bei der Geldanlage schaden
24.11.2024

Als ich gehört habe, dass in einer Umfrage des ZDF vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 über 70 Prozent der Deutschen...

DWN
Politik
Politik Christian Lindners Vorwurf lautet: SPD strebt "Zerstörung" der Liberalen an
24.11.2024

Seit dem Bruch der Ampel-Koalition herrscht ein scharfer Ton zwischen SPD und FDP. Nun legt der entlassene Finanzminister nach. Die SPD...

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW hält an Werksschließungen fest - Sparansage auch bei Bosch
24.11.2024

Im Streit um Einsparungen bei VW bleibt das Unternehmen hart: Die Kapazitäten sollen schnell runter. Die IG Metall reagiert in der...

DWN
Panorama
Panorama Sammelkarten als Wertanlage: Das Geschäft mit begehrten Karten
24.11.2024

Sammelkarten sind weit mehr als nur ein Zeitvertreib. Besonders seltene Karten erzielen zum Teil Rekordpreise. Was steckt hinter diesem...

DWN
Panorama
Panorama Migration, Terrorgefahr und Krieg: Die größten Sorgen der EU-Bürger
24.11.2024

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird von Menschen in Osteuropa als ernste Bedrohung wahrgenommen. Doch betrachtet man die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen: Wo die Probleme in Deutschland liegen und was passieren muss
24.11.2024

In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren größere Versäumnisse, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft, die das Wachstum...

DWN
Politik
Politik Kommt die Wegzugsbesteuerung für deutsche Fondsanleger? Neues Hindernis gegen die Abwanderung ins Ausland beschlossen
23.11.2024

Eine geplante Wegzugsbesteuerung bei Investmentfonds soll zunehmende Abwanderung von Geld und Fachkräften aus Deutschland stoppen! Wie die...