Politik

Macron vollzieht Annäherung an Putin und Orban

Frankreichs Präsident Macron vollzieht derzeit eine vorsichtige diplomatische Annäherung an Russlands Präsident Putin und den ungarischen Regierungschef Orban.
20.09.2019 14:17
Aktualisiert: 20.09.2019 14:19
Lesezeit: 3 min

.

Auf der Konferenz der französischen Botschafter in Paris sagte Emmanuel Macron am 27. August 2019: “Das Projekt der europäischen Zivilisation kann nicht vom katholischen Ungarn oder vom orthodoxen Russland angeführt werden, und dennoch haben wir es diesen beiden Führern überlassen. Ich sage es mit allem Respekt: Hören Sie sich den Diskurs in Ungarn oder Russland an. Es gibt Unterschiede zwischen diesen Projekten, aber sie haben eine kulturelle, zivilisatorische Vitalität, die inspirierend ist, obwohl ich sie für falsch halte. Es ist unser europäisches Projekt - von dem ich zutiefst glaube, dass es auch ein französisches Projekt ist -, das die Kraft haben muss, unsere Leute zu inspirieren.”

Der ungarische Analyst Tamas Lanczi deutet Macrons Aussagen in einer Analyse für die Nachrichtenagentur V4NA International als Selbstkritik und löblich gegenüber der Regierung Viktor Orbans. “Macron, der sich selbst als Einwanderungspartei bezeichnet, ist anderer Meinung als Viktor Orbán, der die illegale Einwanderung ablehnt, sie aber als inspirierend erachtet”, so Lanczi. Das Erstaunlichste an der Rede des französischen Präsidenten sei jedoch, dass Ungarn, angeführt von Viktor Orban, im Gegensatz zu vielen europäischen Staats- und Regierungschefs an der Spitze der Erneuerung der europäischen Zivilisation steht. Dem französischen Präsidenten zufolge sollte der ungarische politische Diskurs, der “eine kulturelle und zivilisatorische Vitalität mit sich bringt”, welcher der französische Präsident nicht zustimmt, der er jedoch äußerst anregend gegenübersteht, am meisten respektiert werden. Bisher hätten lediglich US-Medien positive Botschaften über Orban verbreitet. Doch nun habe sich Macron ebenfalls positiv über Orban geäußert.

Macron plädiere zudem für eine “östliche Öffnung”. Er stehe Russland näher als alle anderen Präsidenten Frankreichs vor ihm. Lanczi wörtlich: “Macron sagte, Frankreich habe bisher eine schlechte Politik verfolgt, und wenn sich diese nicht ändere, werde es künftig nicht mehr als einen der beiden Pole geben - Amerika und China. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Karten hauptsächlich von den Vereinigten Staaten und China verteilt.

Über Russland sagte Macron auf der Botschafter-Konferenz: “Wir - genauso wie Russland - sind ein Teil Europas (...) Und wenn wir mit Russland zu einem bestimmten Zeitpunkt nichts Nützliches erreichen können, bleiben wir in einem Zustand zutiefst unproduktiver Spannungen. Wir werden weiterhin in Konflikten in ganz Europa stecken bleiben. Ich denke auch, dass es ein großer strategischer Fehler ist, Russland von Europa zu verdrängen.”

Doch die diplomatischen Aktivitäten Macrons zur Wiederherstellung der zerrütteten Beziehungen der EU zu Moskau hat nach Angaben der Financial Times in anderen europäischen Hauptstädten, Alarm ausgelöst.

Sein diplomatischer Einsatz basiert auf der Schlussfolgerung, dass “es absurd ist, schlechtere Beziehungen zu Moskau zu haben als während des Kalten Krieges”, meint Thomas Gomart, Direktor des französischen Instituts für internationale Beziehungen. Einige Verbündete Frankreichs - insbesondere Deutschland, die Niederlande, Polen und die baltischen Staaten - sind eher vorsichtig, und einige wollen die EU-Sanktionen gegen Russland auf der Krim aufrechterhalten oder sogar verschärfen.

Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, warf Macron vor, sein Treffen mit Putin nicht mit Berlin oder anderen EU-Hauptstädten koordiniert zu haben. “Das Problem ist, dass du Putin belohnst, obwohl er sich keinen Zentimeter bewegt hat. Die russische Politik hat sich nicht geändert. Dies ist eine echte Bestätigung für Putin. Er tut nichts und immer noch gibt es diese Annäherung aus Europa”, argumentiert Röttgen.

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, behauptet Gegenteiliges. “Dies ist Teil eines koordinierten Ansatzes (...) Deutschland und Frankreich zielen definitiv in die gleiche Richtung, obwohl Frankreich es bombastischer macht”, so Schmid.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte vor wenigen Tagen nach einem Treffen mit seiner französischen Amtskollegin Florence Parly, Russland sei bereit, mit dem französischen Militär eine enge Kooperation einzugehen. “Wir haben am 3. September inhaltliche Gespräche mit Ihnen geführt, um die Hauptthemen im Zusammenhang mit unseren gemeinsamen Interessen und Sicherheitsinteressen in Europa zu erörtern. Wir haben uns über die wichtigsten Themen unseres heutigen Treffens ausgetauscht”, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass Schoigu.

“Es gibt viele geostrategische Herausforderungen, bei denen Frankreich und Russland gemeinsame Interessen haben. Natürlich sind wir uns in einigen Punkten uneinig, aber genau das veranlasst uns, den Dialog zu stärken”, so Parly.

Am 3. September hatte Parly ein Telefongespräch mit Schoigu geführt. Über den Kurznachrichtendienst Twitter meldete sie: “Telefoninterview heute mit Sergej Schoigu, meinem russischen Amtskollegen. Ukraine, Golf, Levante, Zentralafrikanische Republik: Wir haben mit @JY_LeDrian und Sergej Lawrow die vielen Themen besprochen, die im Mittelpunkt unseres Treffens in Moskau am kommenden Montag stehen werden.”

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...