Die Situation in der US-amerikanischen Fracking-Industrie spitzt sich offenbar zu. Wie die Financial Times berichtet, ziehen sich immer mehr (potentielle) Geldgeber aus der Branche zurück. Zudem sein ein deutlicher Anstieg der Insolvenzen bei den Bohrfirmen zu beobachten.
„Abgeschreckt durch tiefere Ölpreise beginnen Aktien- und Anleiheinvestoren nun, sich aus dem Engagement mit kleinen unabhängigen Bohrunternehmen zurückzuziehen, welche maßgeblich dazu beigetragen hatten, dass die USA in den vergangenen Jahren an die Spitze der Liste der weltgrößten Ölförderer geklettert waren. Analysten sagen zudem, dass auch die Banken vorsichtiger werden und die Vergaberichtlinien für neue Kredite verschärfen werden“, schreibt die FT.
Branchenbeobachter erwarten, dass es aufgrund der zu erwartenden restriktiveren Kreditvergabe-Richtlinien der Banken in den kommenden Monaten zu einer Konsolidierungswelle in dem Industriesektor mit zahlreichen Fusionen und Übernahmen kommen dürfte. Auch private Geldgeber ziehen sich zurück. Dem Datenanbieter Dealogic zufolge sollen Beteiligungsgesellschaften und andere Investoren den Fracking-Unternehmen im Jahr 2016 noch fast 57 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt haben. Bis Ende September 2019 sollen hingegen nur rund 19 Milliarden Dollar geflossen sein.
Auch die Zahl der Insolvenzen steigt. Der Anwaltskanzlei Haynes & Boone zufolge gab es bis Ende September bereits 33 Pleiten – fast so viele wie im gesamten Vorjahr. Besonders bedenklich sei, dass von diesen 33 Insolvenzen 27 seit Mai stattfanden – also eine beträchtliche Eskalation der Entwicklung zu beobachten sei.
Ein Bericht des US-Rechnungshofs vom September hat Öl- und Gasbohrungen in diversen US-Bundesstaaten untersucht und dabei festgestellt, dass eine ganze Reihe von Unternehmen ihre Bohrungen eingestellt haben. Inaktive Öl- und Gasfelder, die nicht ordnungsgemäß verschlossen wurden, bergen allerdings Umweltgefahren, angefangen von Methanlecks bis hin zu Oberflächen-, Luft- und Grundwasserverschmutzungen. Wenn ein Unternehmen ein Feld aufgibt, “verwaist” das Bohrloch und es fällt in der Regel an das Bureau of Land Management (BLM). Das BLM muss dann für die Wiederherstellung des jeweiligen Feldes aufkommen. Der US-Rechnungshof identifizierte zwischen Juli 2017 und April 2019 89 neue verwaiste Brunnen, deren Sanierung bis zu 46 Millionen US-Dollar kosten könnte.
Noch aufschlussreicher war die Tatsache, dass der US-Rechnungshof fast 3.000 Felder ausfindig machte, bei denen das Risiko besteht, dass sie bald aufgegeben werden. Die Kosten für den Rückbau verwaister Bohrlöcher variieren stark, so dass der US-Rechnungshof zwei Szenarien angibt: Niedrigpreis-Bohrlöcher können für rund 20.000 US-Dollar pro Stück zurückgebaut werden, Hochpreis-Bohrlöcher können Kosten in Höhe von bis zu 145.000 US-Dollar verursachen. Für diese genannten 3.000 gefährdeten Bohrlöcher müsste die Bundesregierung demnach zwischen 46 und 333 Millionen US-Dollar bereitstellen.
Die Öl- und Gasaktivitäten in Texas und Teilen von New Mexico gingen im dritten Quartal des laufenden Jahres deutlich zurück. Der Geschäftsaktivitätsindex der US-Notenbank Dallas verzeichnete einen Wert von minus 7,4 nach minus 0,6 im zweiten Quartal. Ein negativer Wert signalisiert eine Kontraktion, während ein positiver Wert eine Expansion anzeigt, so Oilprice.com. Eine Verlangsamung der Bohrungen ist ein noch größeres Problem für Ölfelddienstleister, welche die Ausrüstung, Arbeitskräfte und Bohrdienste bereitstellen. Der “Ausrüstungsnutzungsindex” der US-Notenbank Dallas fiel von drei auf minus 24, und der Wert für das dritte Quartal war der niedrigste seit dem Tiefpunkt des Ölmarktes im Jahr 2016.