Im Norden Syriens verdichten sich die Hinweise auf einen bevorstehenden Militäreinsatz der Türkei gegen die Kurden-Miliz YPG. US-Truppen räumten Beobachtungsposten in dem Grenzgebiet zur Türkei, wie ein US-Regierungsvertreter und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mitteilten.
Erdogan erklärte am Montag, der Schritt folge auf sein Telefonat mit US-Präsident Donald Trump, in dem über die von beiden Seiten vereinbarte "Sicherheitszone" in dem Bürgerkriegsland beraten worden sei. Erdogan zeigte sich verärgert, dass der Aufbau der Zone nicht vorankomme. Das Präsidialamt in Washington erklärte, die USA würden sich nicht an dem von der Türkei geplanten Militäreinsatz beteiligen und ihn auch nicht unterstützen.
Erdogan hatte am Samstag erklärt, der Einsatz der Luftwaffe und von Bodentruppen im Gebiet östlich des Euphrats könne in den kommenden Tagen beginnen. Damit handelte es sich um Erdogans deutlichste Drohung mit einem Militäreinsatz, seit die Türkei und die USA im August die Einrichtung einer Sicherheitszone in Nord-Syrien verabredet hatten. Die Türkei will dort bis zu zwei Millionen syrische Flüchtlinge ansiedeln.
Neben der Geschwindigkeit, mit der dieser Plan umgesetzt wird, entzweit die beiden Nato-Partner auch der Umgang mit der Kurden-Miliz YPG: Von der Türkei wird sie als Terror-Organisation einstuft, die USA aber hat das von der YPG angeführte Rebellenbündnis Syrische Demokratische Streitkräfte (SDF) im Kampf gegen die IS-Miliz in Syrien unterstützt.
Der US-Regierungsvertreter sagte, das eigene Militär habe zwei Beobachtungsposten in Tel Abjad und Ras al Ain im Nordosten Syriens nahe der Grenze zur Türkei geräumt. Die anderen US-Beobachter in der Region seien bislang noch vor Ort. Er betonte zugleich, die USA würden die SDF-Kräfte nicht verteidigen. Darüber habe man den Kommandeur der Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF) informiert.
Auch die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, US-Soldaten seien aus dem Gebiet zwischen Tel Abjad und Ras al Ain abgezogen worden. Die SDF erklärten, die amerikanischen Truppen hätten ihre Verpflichtungen nicht eingehalten und sich stattdessen aus der Grenzregion zurückgezogen. Die SDF würden aber "keinen Moment zögern", sich gegen die türkische Offensive zu wehren.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu betonte die Entschlossenheit seiner Regierung zu dem Einsatz in Nord-Syrien. Ziel sei es, militante Kämpfer aus der Region zu entfernen. "Wir werden zu Frieden und Stabilität in Syrien beitragen", erklärte Cavusoglu auf Twitter.
Die Vereinten Nationen (UN) riefen alle Seiten auf, eine Gefährdung von Zivilisten im Falle eines türkischen Angriffs zu verhindern. Die UN hätten "bittere Erfahrungen" mit sogenannten Sicherheitszonen gemacht, sagte ein UN-Vertreter. Die UN-Helfer benötigten Zugang zu den Menschen im Nordosten Syriens, um sie mit Medikamenten und Lebensmitteln zu versorgen. "Wir hoffen das Beste, aber wir bereiten uns auf das Schlimmste vor."
Die Aussicht auf eine militärische Auseinandersetzung schickte die türkische Währung auf Talfahrt. Die Lira gab am Montag gegenüber dem Dollar um ein Prozent nach.