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Ermittler haben Hinweise auf rechtsextremistische Tat in Halle

Lesezeit: 3 min
10.10.2019 07:32  Aktualisiert: 10.10.2019 07:55
Ein schwer bewaffneter Täter wollte in eine Synagoge im sächsischen Halle eindringen. Zwei Menschen wurden erschossen und mehrere verletzt.
Ermittler haben Hinweise auf rechtsextremistische Tat in Halle
Zwei Frauen zünden eine Kerze auf dem Marktplatz im sächsischen Halle an. (Foto: dpa)
Foto: Swen Pf

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Nach den tödlichen Schüssen vor einer Synagoge in Halle sieht die Bundesanwaltschaft Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat. "Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse müssen wir davon ausgehen, dass es sich zumindest um einen antisemitischen Angriff handelt", erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Mittwochabend. Ein schwer bewaffneter Täter habe versucht, in die Synagoge einzudringen, in der sich am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur rund 80 Menschen aufgehalten hätten. Es seien zwei Menschen getötet und mehrere verletzt worden.

"Spiegel online" berichtete, bei dem mutmaßlichen Täter handle es sich um einen 27-jährigen Deutschen aus Sachsen-Anhalt, der vermutlich als Einzeltäter gehandelt habe. Der Zentralrat der Juden erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Es sei skandalös und fahrlässig, dass die Sicherheitskräfte die Synagoge an solch einem hohen Feiertag nicht geschützt hätten.

Den Ermittlern liege ein Video vor, das der Attentäter offenbar mithilfe einer Helmkamera aufgenommen habe, berichtete "Spiegel online". Der Film zeige, wie der Täter eine Passantin in der Nähe des jüdischen Friedhofs sowie einen Gast in einem Döner-Bistro in der Nähe der Synagoge erschieße. Aus dem Video ergäben sich klare Hinweise auf ein antisemitisches und rechtsextremes Motiv. So schimpfe der Täter mehrfach über "Juden" und "Kanaken". Der 27-Jährige, der auf einer Bundesstraße festgenommen worden sei, sei vor der Tat nicht polizeibekannt gewesen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kam am Abend in Berlin zur Synagoge in der Oranienburger Straße, um zusammen mit anderen Politikern der Opfer zu gedenken. Seehofer will sich am Donnerstag gemeinsam mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in Halle über den Stand der Erkenntnisse informieren und mit Vertretern der jüdischen Gemeinde sprechen. "Ich bin über diese Tat zutiefst bestürzt und verurteile sie auf das Schärfste", erklärte der Minister. "Das ist ein abscheulicher Angriff auf unser friedliches Zusammenleben." Er denke an die Opfer und Ihre Familien und wünsche den Verletzten eine schnelle und vollständige Genesung. Die aktuelle Erkenntnislage erlaube es noch nicht, die Tat abschließend einzuordnen. Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts gebe es aber ausreichend Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hintergrund.

Zentralratspräsident Schuster erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös", schrieb er auf Twitter. "Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt. Wie durch ein Wunder ist nicht noch mehr Unheil geschehen". Der Angreifer war mit dem Versuch gescheitert, in die Synagoge einzudringen. "Der Täter schoss mehrfach auf die Tür und warf auch mehrere Molotowcocktails, Böller oder Granaten, um einzudringen. Aber die Tür blieb zu, Gott hat uns geschützt. Das Ganze dauerte vielleicht fünf bis zehn Minuten", sagte Gemeindevorsteher Max Privorozki dem "Spiegel".

Bundesaußenminister Heiko Maas verurteilte die Tat von Halle. "Ich bin es leid, immer wieder entsetzt und erschüttert sein zu müssen. Wann hört das auf? Warum geschieht das in unserem Land? Unserem Land! Zwei unschuldige Menschen wurden brutal ermordet - wie entsetzlich sinnlos", erklärte er. "Antisemitismus und Fremdenhass dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Es ist beschämend, diesen Satz so oft sagen zu müssen in Deutschland. Und es ist unerträglich, dass die jüdische Gemeinde an ihrem höchsten Feiertag einem solchen Angriff ausgesetzt ist. In Deutschland! 2019! Den Angehörigen der Opfer und allen Betroffenen gilt meine ganze Anteilnahme."

Das Europäische Parlament gedachte der Opfer in einer Schweigeminute.

Große Unternehmen haben nur Stunden nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle das Live-Video der Tat von ihren Plattformen gelöscht. "Wir stehen in engem Kontakt miteinander und bleiben entschlossen, die Online-Verbreitung von gewalttätigen und extremistischen Inhalten zu stören", erklärte die Gruppe "Global Internet Forum to Counter Terrorism" in den USA am Mittwoch. Zu den Mitgliedern gehören Facebook, Google, Microsoft und Twitter. Um die Videos automatisch zu entfernen, wird die sogenannte "Hashing"-Technologie angewendet. Diese wurde nach dem Anschlag in Christchurch in Neuseeland im März diesen Jahres entwickelt.

Der Attentäter von Halle hatte sein Live-Video von der Tat in Echtzeit im Internet verbreitet. Er nutzte dafür die Streaming-Plattform Twitch, die zu Amazon gehört. Twitch ist eine Abspielstätte für die Übertragung von Videospielen. Dabei werden die Spiele, oft Ego-Shooter, von anderen Spielern betrachtet und verfolgt. Das Video von Halle ist zum Teil ebenfalls wie ein Ego-Shooter gefilmt. Es ähnelt dem Filmmaterial aus Christchurch, in dem der Schütze mit einer Helmkamera aus der Ich-Perspektive die Tötung von 51 Menschen in zwei Moscheen filmte und live im Internet übertrug. Wie bei Christchurch verbreiteten sich Kopien und Teile der Aufnahmen aus Deutschland schnell im Internet - sowohl durch Anhänger der antisemitischen Ideologie des Attentäters als auch durch Menschen, die die Tat verurteilen.

Auf seinem offiziellen Twitter-Account gab Twitch bekannt, dass das Video von 5 Personen live gesehen wurden und es nach der Tat noch von 2200 Nutzern abgerufen wurde. Nach 30 Minuten habe das Unternehmen das Video von der Internetplattform gelöscht. Das Nutzerkonto des Verdächtigen sei vorher nur ein einziges Mal zum Streamen benutzt worden. Facebook sagte, es habe noch keine Details darüber, wie oft das Video auf seinen Plattformen gepostet wurde oder wie viele Nutzer es gesehen haben. Twitter verwies Reuters auf die Erklärung des Forums "Global Internet Forum to Counter Terrorism". Google und Telegram reagierten zunächst nicht auf Anfragen zur Stellungnahme.


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