Politik

Die EU öffnet eine geopolitische Flanke auf dem Balkan

Lesezeit: 2 min
27.10.2019 06:36
Die Verhinderung der Eröffnung von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien durch Frankreich eröffnet anderen Mächten die Möglichkeit, ihren Einfluss auf dem Balkan auszubauen. Serbien etwa gilt als traditioneller Anker für Russland in der Region.
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Frankreichs Präsident Emanuel Macron. (Foto: dpa)
Foto: Frank Augstein

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Moskau hat zwei hochmoderne Raketensysteme für ein gemeinsames Militärmanöver nach Serbien geschickt. Wie das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag mitteilte, kommen das Luftabwehrsystem S-400 und die mobilen Flugabwehrraketen vom Typ Panzir das erste Mal bei einer Übung außerhalb Russlands zum Einsatz. Die Systeme sollen auf dem Militärstützpunkt Batajnica in der Nähe von Belgrad stationiert werden.

Noch bis zum 29. Oktober halten russische und serbische Luftverteidigungseinheiten in Serbien gemeinsame Manöver ab. Es ist die Fortsetzung einer Übung mit dem Namen "Slawischer Schutzschild-2019", die im September in der südrussischen Region Astrachan stattfand.

Serbien ist Moskaus wichtigster Verbündeter auf dem Balkan. Moskau unterstützt Belgrad unter anderem in der Kosovo-Frage. Obwohl Serbien den Beitritt zur Europäischen Union anstrebt, pflegt es enge Beziehungen zu Russland, das als "orthodoxer großer Bruder" angesehen wird.

Die enge militärische Verbindung zwischen Russland und Serbien ist vor dem Hintergrund der Frage der Integration der Balkan-Staaten in die EU von besonderem Interesse. So hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den beim EU-Gipfel vergangene Woche durch Frankreich verweigerten Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien kritisiert. Er sei "vom Ausgang des EU-Gipfels enttäuscht", sagte der CDU-Politiker. "Es liegt in unserem Interesse, dass wir Nordmazedonien und Albanien an die EU binden und deren große Anstrengungen für Demokratie und Stabilität würdigen. Die Beitrittsgespräche sollten sehr bald beginnen", betonte Altmaier, der Montag und Dienstag Gespräche in Kroatien, Montenegro und Serbien führte.

Eigentlich war erwartet worden, dass der Gipfel grünes Licht für die Beitrittsgespräche geben würde. Doch Frankreich, die Niederlande und Dänemark legten sich quer. Die Reformen von Justiz und Verwaltung in den beiden Kandidatenländern seien noch nicht weit genug gediehen. Besonders Nordmazedonien hatte politisch viel in Vorleistungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen investiert. Gegen massive Widerstände der nationalistischen Opposition hatte Ministerpräsident Zoran Zaev die Änderung des Landesnamens von Mazedonien in Nordmazedonien durchgesetzt. Das EU-Mitglied Griechenland hatte das ultimativ verlangt, weil eine Provinz im Norden des Landes ebenfalls Mazedonien heißt. Zaev steht nun mit leeren Händen da. Er sprach von "einer großen Ungerechtigkeit" und einem "historischen Fehler" der EU und kündigte Neuwahlen an.

Der serbische Präsident Alexandar Vucic sagte am Mittwoch, dass die Ablehnung der Beitrittsgespräche gezeigt habe, dass sich die Balkanländern nicht voll auf ihre westlichen Nachbarn verlassen sollten, berichtet der EUObserver. "Wir sollten uns nur um uns selbst kümmern, das ist der einzige Weg, der einzige Ansatz. Alles andere wäre sehr unverantwortlich", sagte Vucic.

Nordmazedoniens Präsident Stevo Pendaroski nahm die Nachrichten aus Brüssel enttäuscht auf, stufte jedoch die Nichteinladung zu Mitgliedsgesprächen als Ergebnis „gewisser nationaler Interessen“ ein, ohne die verantwortlichen EU-Länder namentlich zu nennen. Zugleich aber machte er den Bürgern Nordmazedoniens Hoffnung: „Keine politische Entscheidung ist ewig, keine Entwicklung ist endgültig.“ Er warnte zugleich die oppositionellen Parteien im Land, aus dieser Enttäuschung heraus „tagespolitische Kleinpunkte“ machen zu wollen. Pendarovski bekräftigte trotz des Rückschlags das Festhalten Skopjes am euro-atlantischen Kurs. „Wir sind ein europäisches Land und haben das Recht, Teil eines gemeinsamen europäischen Hauses zu sein“, sagte er.

Auch Albaniens Regierungschef Edi Rama war enttäuscht, bekräftigte jedoch das Festhalten Albaniens am Ziel EU-Mitgliedschaft. „Der nächste Schritt ist die Fortsetzung der Justiz- und Wahlrechtsreformen“, sagte er nach Medienberichten am Freitagabend in Tirana.

Rama verwies darauf, dass es zu der Nichtaufnehme von Gesprächen über eine mögliche Mitgliedschaft in der EU „weder einen Text noch sonst etwas Schriftliches“ gebe: Daher könne er seinen Landsleuten Hoffnung machen: „Der Traum von Europa ist nicht verblasst.“


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