Unternehmen

Bei Russlands Staatsbahn kriecht die Fracht im Schneckentempo über die Gleise

Die russische Staatsbahn RZD betreibt ein riesiges Netz, das sich über mehrere Zeitzonen erstreckt, und ist mit mehr als 700.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber des Landes. Allerdings gibt es ein Problem.
10.11.2019 13:00
Lesezeit: 2 min
Bei Russlands Staatsbahn kriecht die Fracht im Schneckentempo über die Gleise
In Russland haben die Staatsbahnen eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, da sie mit 46 Prozent fast die Hälfte des gesamten Transportaufkommens stemmen. (Foto: dpa) Foto: DB Lernidee Erlebnisreisen

Russland ist ohne seine Staatsbahnen RZD kaum denkbar: Denn der Staatskonzern führt rund 735.000 Mitarbeiter auf seinen Lohnlisten und ist damit der größte Arbeitgeber des Landes. Mit seinen Umsätzen steuert das Riesenunternehmen pro Jahr nach eigenen Angaben rund fünf Prozent zur russischen Gesamtwirtschaft bei.

Und sein Netz ist gigantisch: Russland verfügt über 85.500 Kilometer Gesamtlänge und liegt auf der weltweiten Rangliste auf dem dritten Platz – gleich hinter China (124.000 Kilometer) und den USA (290.000 Kilometer).

Doch leider gibt es ein gravierendes Problem: Die Bahn bewegt sich nur im Zuckel-Trapp über die Gleise – und zwar, wenn es um die Lieferung und Versendung von Frachtgut geht.

So hat die RZD die Sendungen im September des laufenden Jahres statistisch gesehen lediglich mit einem Durchschnittstempo von knapp 15 Kilometern pro Stunde befördert. Das war etwa ein Prozent langsamer als noch zwölf Monate zuvor, wie das Informationsportal der Bahn www.rzd-partner.ru berichtet. Dies ist eine wahre Kriechgeschwindigkeit, wenn man bedenkt, mit welchen Superlativen sich der Staatskonzern ansonsten in der Öffentlichkeit präsentiert.

Zum Vergleich: 15 Kilometer pro Stunde kann eine Privatperson problemlos mit dem Rad fahren. Und ein gut trainierter Freizeitsportler, der im Fitness-Studio auf dem Laufband etwas mehr das Tempo anzieht, dürfte das auch noch schaffen.

Die Gründe dafür sind vielfältig und mit Sicherheit auch in den harten Witterungsbedingungen zu suchen, mit denen die Bahn beispielsweise in Sibirien fertig werden doch muss. Die weit mehr als 10.000 Lokomotiven, die der Konzern insgesamt in mehreren Zeitzonen im Einsatz hat, müssen hier mitunter hohe Temperaturschwankungen aushalten.

Rechnungshof: Zahl von Reparaturen bei neuen Loks zu hoch

Allerdings ist der technische Zustand der Zugmaschinen oft sehr schlecht: So hat unlängst der russische Rechnungshof SPRF kritisiert, dass immer mehr neue Lokomotiven, die die Bahn gerade angeschafft hat, nicht funktionstüchtig sind. Die russischen Steuerkontrolleure werfen der RZD vor, dass die Zahl der Reparaturen für die Neuanschaffungen zwischen 2015 und 2016 um fast ein Fünftel gestiegen ist. „Die neuen Loks brechen immer mehr auseinander“, titelte die Moskauer Tageszeitung „Wedomesti“ (deutsch: „Nachrichten“).

In Zahlen liest sich das so: Die RZD hat in diesen zwei Jahren 993 neue Zugmaschinen erworben, die insgesamt 1.460mal zur Inspektion mussten, um Schäden beheben zu lassen. Statistisch gesehen wurde jede Lok mindestens einmal repariert, manche sogar noch öfter. Besonders wichtig: Die technischen Probleme tauchten allesamt innerhalb der Garantiezeit auf.

„Dies verringert das Verkehrsaufkommen und somit auch die Einnahmen der Bahnen“, sagte der Prüfer des Rechnungshofes, Walerie Bogomolov. „Die Störungen sind ein Zeichen dafür, dass die Fachleute in den Fabriken nicht effizient genug gearbeitet haben“, mahnte Bogomolov.

Immerhin hat sich der fatale technische Zustand bisher nicht grundsätzlich auf die Leistungsfähigkeit der Bahnen ausgewirkt, wenn man die Höhe der Tonnage als Grundlage nimmt, die sie transportiert hat. Die RZD hat zwar bis Ende Oktober des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ihre Frachtgutvolumina um ein knappes Prozent verringert. Unterm Strich standen schließlich 1,66 Milliarden Tonnen in den Auftragsbüchern. Doch ist dieser Rückgang bei weitem kein riesiger Einbruch. Zum Vergleich: Die DB Cargo befördert pro Jahr Volumina von mehr als 250 Millionen Tonnen.

Nicht zuletzt deswegen bleibt die RZD sehr gelassen und hält dem Rechnungshof folgendes entgegen: „Die verstärkte Zahl der Reparaturen weist nicht darauf hin, dass sich die Qualität der Zugmaschinen verschlechtert hat, sondern dass die Russische Bahn einfach nur gründlicher die Maschinen untersucht“, sagte ein Sprecher des Konzerns.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...