Weltwirtschaft

Argentinien steht kurz vor dem Staatsbankrott: Auch deutsche Lebensversicherer betroffen

Lesezeit: 2 min
18.11.2019 10:00
Die Schuldensituation Argentiniens verschlechtert sich seit Jahren. Kurz nach der Bereitstellung einer weiteren Kreditlinie durch den IWF dürfte es bald zu einem schweren Schuldenschnitt kommen, sagen Experten.
Argentinien steht kurz vor dem Staatsbankrott: Auch deutsche Lebensversicherer betroffen
Buenos Aires: Sicherheitskräfte, die bei einem Protest gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung von Präsident Macri im Einsatz sind, lehnen sich an einer Wand, an der der ehemalige argentinische Staatschef Juan Domingo Peron und seine Frau Eva Peron vor einer Menschenmenge abgebildet sind. (Foto: dpa)
Foto: Natacha Pisarenko

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas, Argentinien, wird aller Voraussicht nach in Kürze zahlungsunfähig sein. Auch das erst vor wenigen Monaten vom Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgelegte Kredit-Programm in Höhe von 57 Milliarden Euro (entspricht elf Prozent des Bruttoinlandprodukts von rund 520 Milliarden Dollar) wird daran nichts ändern.

Die Zahlungsunfähigkeit tangiert auch deutsche Finanzinstitutionen. Ein Finanzanalyst, der seinen Namen nicht veröffentlich sehen möchte, sagte den DWN: „Es gibt eine ganze Reihe von deutschen Lebensversicherern, die argentinische Staatsanleihen mit einer langen Laufzeit aufgenommen haben, um langfristige Verpflichtungen zu decken. Die gucken jetzt in die Röhre. Im Jahr 2017 haben sich einige sogar an einer Anleihe mit einer Laufzeit von 100 Jahren beteiligt. Na ja, zwei Jahre ist es gut gegangen - die anderen 98 Jahre eben nicht. Was Banken anbelangt: Die haben sich an der Emission nicht beteiligt, für sie würde das auch keinen Sinn machen. Beteiligt sind dafür aber Hedgefonds - allerdings keine deutschen, lediglich britische sowie amerikanische.“

Die im November 2015 an die Macht gelangte konservative Regierung von Präsident Mauricio Macri (59) hat es nicht geschafft, die problematische wirtschaftliche Gemengelage in den Griff zu bekommen. Die Staatsverschuldung hat sich von Anfang 2015 bis heute von knapp über 40 Prozent auf nunmehr 81 Prozent nahezu verdoppelt, die Inflationsrate beträgt derzeit 50 Prozent und der Pesos hat seit Anfang 2018 zwei Drittel seines Wertes verloren (im Februar 2018 kostete ein US-Dollar circa 20 Pesos, derzeit sind es exakt 60 Pesos).

In nur vier Jahren hat das Land Fremdwährungs-Kredite von Höhe von knapp 82 Milliarden Dollar aufgenommen. Die meisten Anleihen übersteigen die Laufzeit von zehn Jahren und sind mit sieben Prozent bezinst. Die zu tilgende Schuldenlast beträgt in den kommenden Jahren bis zu 45 Milliarden Dollar pro Jahr, das heißt: Argentinien muss per annum rund 8,5 Prozent von seinem (jetzigem) Bruttoinlandprodukt nur für seine Schuldenlast aufwenden.

Prof. Christoph Trebesch vom Kieler „Institut für Weltwirtschaft“ (IfW) schreibt in einer Analyse: „Angesichts der schweren Finanzkrise, in der Argentinien sich nun befindet, ist die Schuldenlast nicht mehr tragfähig.“ Eine „Streckung der Fälligkeiten“ reiche nicht aus, um Argentinien zurück in die Solvenz zu führen. Daher sei „ein hoher Schuldenschnitt unumgänglich.“

Für Argentinien wäre es der neunte Staatsbankrott seiner Geschichte. Der letzte fand 2014 statt, der bekannteste 2001 (der Höhepunkt der sogenannten „Argentinien-Krise“), als die Gläubiger rund 70 Prozent ihrer Forderungen abschreiben mussten. Argentinien war nach dem zweiten Weltkrieg einer der reichsten Staaten der Erde (Platz sieben auf der Liste der Länder mit dem höchsten Bruttosozialprodukt pro Einwohner). Staatsdirigismus und ökonomischer Nationalismus in den 1950er Jahren sowie die aufgeblähten Staatshaushalte der Militärdiktaturen in den 60er und 70er Jahren führten zu einem Niedergang der Wirtschaft, von der sie sich bis heute nicht erholt hat.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik US-Kongress zertifiziert Trumps Sieg bei den Präsidentenwahl jetzt auch offiziell
07.01.2025

Was üblicherweise eine Formalie nach der Wahl ist, eskalierte nach Donald Trumps Niederlage vor vier Jahren zu einem Gewaltexzess seiner...

DWN
Politik
Politik Abgang des "Kennedy von Kanada": Justin Trudeau kündigt Rücktritt an
06.01.2025

Einst wurde Justin Trudeau als Hoffnungsträger und "Kanadas Kennedy" gefeiert. Doch zuletzt geriet der Premierminister stark unter...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Inflation Deutschland 2025: Wie entwickeln sich die Verbraucherpreise?
06.01.2025

Die Inflation in Deutschland bleibt ein zentrales Thema: Nach einer Phase der Entspannung stiegen die Verbraucherpreise im Herbst erneut....

DWN
Immobilien
Immobilien Zweitwohnung in Paris oder Berlin: Wie die Gentrifizierung Europas die Mieter verdrängt
06.01.2025

Die deutschen Großstädte leiden unter einer sich verschärfenden Wohnraum-Misere. Immer mehr Menschen finden keine Bleibe, der Neubau...

DWN
Politik
Politik Österreich vor dem Rechtsruck: FPÖ bekommt Auftrag zur Regierungsbildung
06.01.2025

Die rechte FPÖ war der klare Sieger der Wahl in Österreich. Nach dramatischen Tagen bekommen die Rechtspopulisten nun die Chance, eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation 2024 bei 2,2 Prozent - aber spürbarer Anstieg im Dezember
06.01.2025

Die große Teuerungswelle ist gebrochen, doch zuletzt ging es bei der Inflationsrate wieder nach oben. Nun gibt es aktuelle Daten des...

DWN
Panorama
Panorama Extreme Wetterereignisse 2024: Wie Klimawandel den Wasserkreislauf aus dem Gleichgewicht bringt
06.01.2025

Der Global Water Monitor Report dokumentiert die dramatischen Folgen des Klimawandels 2024: Überschwemmungen, Dürren und extreme...

DWN
Finanzen
Finanzen Neue Hinweise auf Nazi-Konten bei Schweizer Bank aufgedeckt
06.01.2025

Bei der Schweizer Credit Suisse Bank waren Nachforschungen nach etwaigen Nazi-Altkonten zunächst nicht erwünscht. Dank der Intervention...