Politik

Kampf um Mali: China leistet Wirtschaftshilfe, Frankreich schickt die Legion

Lesezeit: 5 min
23.11.2019 14:00
In Mali tobt ein Machtkampf zwischen Frankreich und China. Während Peking das Land wirtschaftlich erschließen möchte, hält Frankreich an seiner ehemaligen Kolonie fest.
Kampf um Mali: China leistet Wirtschaftshilfe, Frankreich schickt die Legion
Ein Bundeswehrsoldat in Mali. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Frankreich bereitet sich auf eine neue Sicherheitsmission in Mali vor, um die Truppen des Landes neben anderen europäischen Spezialeinheiten direkt zu unterstützen, berichtete RFI Afrique am 6. November 2019. Die französischen Operationen in der Sahelzone haben es bisher nicht geschafft, gewaltsame Konflikte in der Region, die über die Grenzen von Mali hinaus gewachsen sind, einzudämmen.

Es bleibt unklar, wie effektiv die neue Mission der französischen Regierung sein wird, da das malische Militär bei der Sicherung seines eigenen Territoriums bislang ineffektiv agierte. Die Aktivitäten von bewaffneten Extremisten hatten sich im vergangenen Jahr über die Grenzen Malis hinaus nach Burkina Faso und Niger ausgeweitet. Frankreich hat die Führung bei der Bekämpfung terroristischer Gruppen in der Region übernommen, konnte jedoch die Ausbreitung von Gewalt nicht verhindern.

Der französische General Bruno Clément-Bollée beklagt im Gespräch mit RFI Afrique, dass die internationalen Streitkräfte der Minusma (Mission der Vereinten Nationen in Mali), G5 Sahel (Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger), die EUTM (multinationale Ausbildungsmission der Europäischen Union) und EUCAP Sahel Niger (Truppen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union) die Initiative in Mali verloren hätten und die “Islamisten” im Land die Kontrolle übernehmen würden. Diese hätten inzwischen “die Initiative ergriffen”.

Bei einem Anschlag auf eine Militärpatrouille waren vor einigen Tagen nach Regierungsangaben mindestens 24 Soldaten getötet worden, meldet die dpa. Außerdem seien mindestens 17 “Terroristen” ums Leben gekommen und weitere 100 Menschen festgenommen worden, hieß es in einer am Montag in Bamako verbreiteten Erklärung. Der Anschlag ereignete sich demnach nahe der Grenze zum Niger. Bislang hat sich keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt.

Am 4. November 219 hatte der IS, der in der Region unter dem Namen Islamischer Staat in der Westafrikanischen Provinz (ISWAP) agiert, einen Anschlag auf einen Militärstützpunkt in der Region Menaka ausgeführt. Bei dem Anschlag kamen 53 Regierungstruppen ums Leben. ISWAP ist hauptsächlich im Nordosten Nigerias aktiv, führt der US-Informationsdienst Stratfor aus.

Malis Grenzen wurden 1960 aus der Teilung des kolonialen französischen Westafrikas geschaffen. Das Land umfasst zwei geografisch getrennte Regionen. Diese beiden Regionen - definiert durch die fruchtbaren, dicht besiedelten südlichen Savannen und die dürre, dünn besiedelte nördliche Sahara - werden weitgehend vom Niger getrennt, der auch als historische Lebensader des malischen Handels dient. Diese Regionen haben unabhängige geopolitische Kerne. Der südliche Kern ist das landwirtschaftliche Dreieck Bambara, zu dem auch Bamako - die Hauptstadt der Nation - gehört.

Es ist die Heimat der Bambara, die ethnische Bindungen mit Malis südlichen Nachbarn Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea und Senegal teilen. Der nördliche Kern befindet sich am südlichen Ende des Hoggar-Gebirges und beheimatet die nomadischen Tuareg - ein Berbervolk mit Verbindungen zur Bevölkerung in Niger, Mauretanien und Algerien. Die beiden größten Städte im Norden - Timbuktu und Gao - liegen am Niger und dienten einst als wichtige Außenposten für den Handel zwischen den beiden Kernen.

Im Laufe der Jahrhunderte verringerte die Einrichtung von Seewegen durch Europäer die Rolle der Tuareg und dieser Städte. In der Folge hatte sich der Einflussbereich der Tuareg verringert, und die Handelswege der Sahara, die einst Salz, Gold, Elfenbein und Sklaven transferierten, verschlechterten sich. Aktuell ist Mali eines der ärmsten Länder der Welt. Die Wirtschaft basiert auf der Landwirtschaft, insbesondere der Kultivation von Baumwolle, Vieh und dem Abbau von Gold. Wie der Staatsstreich 2012 zeigt, steht Bamako vor erheblichen Herausforderungen, wenn es darum geht, die heimische Macht aus dem äußersten Südwesten des Landes in die weiten Teile der malischen Sahara zu projizieren.

Der türkische Analyst Bülent Esinoğlu berichtet auf der Webseite Ulusal Kanal, dass der Norden Malis von Armut geprägt ist, während im Süden des Landes relativer Wohlstand herrscht. Im Norden leben die Tuareg, die auf der Seite des ehemaligen libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi gekämpft hatten. Seit dem Jahr 1880 gibt es immer wieder französische Militärinterventionen in Mali und Paris würde ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass in Mali Regierungen an der Macht sind, die Frankreich die Treue schwören. Über die Kolonialwährung CFR kontrolliert Frankreich nicht nur die Wirtschaft des Landes, sondern auch die Notenbank.

Im vergangenen Jahrzehnt ist China als Konkurrent Frankreichs in Mali aufgetreten. So ist Mali am 25. Juli 2019 dem chinesischen Projekt zur Neuen Seidenstraße beigetreten. Das China Internet Information Center (China.org.cn) berichtet: “Wie die meisten afrikanischen Länder ist Mali im globalen Vorstoß zur industriellen Entwicklung zurückgeblieben. Um diesen Mangel zu beheben, müssen verschiedene Herausforderungen angegangen werden. Erstens die terroristische Bedrohung. Sicherheit ist eine äußerst wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines Landes. In jüngster Zeit war Mali jedoch schweren Terroranschlägen ausgesetzt. Neben Chinas friedenserhaltendem Beitrag zu den Operationen der USA in Mali soll das Projekt zur Neuen Seidenstraße der Regierung in Bamako eine umfassendere Zusammenarbeit mit China ermöglichen, um der Bedrohung durch Gewalt entgegenzuwirken.”

Als Frankreich im Jahr 2013 in Mali intervenierte, reagierte die Regierung in Peking zurückhaltend. Erstens führen ausländische Interventionen nach Chinas Erfahrung nicht immer zu mehr Stabilität oder einem besseren Schutz der chinesischen Interessen vor Ort. Im Falle Libyens sah China, dass das Vereinigte Königreich und Frankreich die Resolution 1973 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNSCR) “missbrauchten”, um Militäreinsätze über den ursprünglichen Umfang ihres Mandats hinaus zu starten, so die US-Denkfabrik Brookings Institution.

Die US-Denkfabrik wörtlich: “ Die Intervention führte zu mehr Chaos, das zusammen mit dem Regimewechsel China 20 Milliarden Dollar seiner Investitionen in Libyen gekostet hat. Seitdem war China besonders vorsichtig, wenn es darum ging, einer Resolution des UN-Sicherheitsrats zuzustimmen, die eine militärische Intervention genehmigen würde. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum China drei Vetos der Resolutionsentwürfe des Sicherheitsrates abgegeben hat, um eine militärische Intervention in Syrien zu verhindern.”

China sieht die Motivation Frankreichs, in Mali einzugreifen, als wenig selbstlos an. Li Zhibiao, Forscher an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, hebt den Verdacht hervor, dass Frankreich die abnehmende Rolle Washingtons in Afrika ausnutzt, um seinen eigenen Einfluss auszubauen. Darüber hinaus sieht China in der Entscheidung Frankreichs, Truppen abzusenden, eine Doppelmoral, da ein ähnliches Ersuchen um militärische Unterstützung aus der Zentralafrikanischen Republik missachtet wurde. Viele chinesische Politiker und Analysten glauben, dass Mali zum "Afghanistan" Frankreichs werden wird und Frankreich in einen anhaltenden Konflikt hineinzieht. Ebenso besorgniserregend sei die mögliche Vergeltung von Dschihadisten gegen Frankreich und andere Nachbarländer. Der chinesische Analyst He Wenping argumentiert, dass Frankreich unter dem Banner des Anti-Terror-Kampfs in Mali aktiv ist. Doch nicht alle lokalen Gruppen vor Ort seien Terroristen. China sieht dies als besonders alarmierend an, da es die "Bekämpfung des Terrorismus" als Rechtfertigung für ausländische Interventionen in einen Bürgerkrieg eines souveränen Landes legitimiert.

China hat in Mali und in anderen afrikanischen Staaten vor allem wirtschaftliche Interessen. Sowohl die China Railway Construction Corporation (CRCC) als auch die China Railway Engineering Corporation (CREC) sind an umfangreichen Infrastrukturprojekten in und um die Region beteiligt. Mali hat versucht, seine Wirtschaft von den Exporten seiner natürlichen Ressourcen, insbesondere Gold, zu diversifizieren. Ein wesentlicher Teil davon sind Investitionen in das junge Eisenbahnsystem Malis. Angesichts der geografischen Lage von Mali im afrikanischen Binnenland ist dies besonders wichtig, wenn es darum geht, die Eisenbahnverbindungen zu den umliegenden Küstenstaaten Senegal und Guinea auszubauen und zu reparieren.

Der chinesische Botschafter in Mali, Zhu Liying, schreibt in einem Gastbeitrag der Zeitung China Daily: “Im Juli unterzeichnete Mali mit China ein Memorandum of Understanding über die Zusammenarbeit im Rahmen der Neuen Seidenstraße. Auf den Straßen von Bamako haben mir Kinder und Passanten oft freundlich in chinesischer Sprache ,Hallo China!’ zugerufen. Eine solche Freundschaft ist der Schlüssel zu soliden Beziehungen. Nur wenn die Herzen der Menschen nahe beieinander liegen, kann der Austausch zwischen Menschen verbessert und die bilaterale Zusammenarbeit gestärkt werden, um in allen Bereichen fruchtbarere Ergebnisse zu erzielen.”

Der Botschafter schließt seinen Beitrag mit einem Gedicht: “Ein einziger Faden bringt den afrikanischen und asiatischen Kontinent näher. Eine engere Zusammenarbeit bringt sowohl Freundschaft als auch gemeinsame Vorteile. Der Austausch zwischen Menschen ist wie Wasser, das uns verbindet. Der Gürtel und die Straße, die mit großer Geschwindigkeit fließen, befeuchten unsere Herzen.” Aus den Ausführungen des Botschafter geht ein großer Optimismus im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen China und Mali hervor. Doch Frankreich wird alles tun, um seine ehemalige Kolonie, die es nach wie vor finanziell und wirtschaftliche kontrolliert, nicht an das Reich der Mitte abzugeben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...