Innerhalb der EU ist Frankreich das Land, das am schärfsten gegen das Waffenembargo, das gegen Libyen verhängt wurde, verstößt. Die Regierung in Paris unterstützt seit geraumer Zeit den libyschen Warlord General Chalifa Haftar, dem Human Rights Watch Kriegsverbrechen vorwirft, mit hocheffizienten Waffen. Haftar will die von der UN anerkannte libyschen Regierung in Tripolis stürzen. “Es ist nichts Neues, dass Frankreich das Embargo verletzt”, zitiert Africa Report Jalel Harchaoui vom niederländischen Institut für internationale Beziehungen in Clingendael. Deshalb gab im April 2019 der libysche Regierungschef Fayez al-Sarraj bekannt, dass “jegliche Verbindung zwischen dem libyschen Ministerium und der französischen Seite (...) wegen der Position der französischen Regierung (im Konflikt) annulliert wurde.”
Im Juli 2019 wurden in Tripolis im Verlauf einer Razzia gegen Söldner vier Panzerabwehrraketen des Typs Javelin gefunden. Einer Untersuchung des Pentagons zufolge waren die Panzerabwehrraketen französischen Ursprungs. Die New York Times führt aus: “In den vergangenen Tagen untersuchte das US-Außenministerium die Herkunft der Raketen anhand ihrer Seriennummern und anderer Informationen und kam zu dem Schluss, dass sie ursprünglich an Frankreich verkauft worden waren (...) Frankreich hat sich 2010 bereit erklärt, bis zu 260 Javelin aus den USA zu kaufen, so die Defense Security Cooperation Agency des Pentagons.”
Im Gegensatz zu allen anderen Panzerabwehrwaffen der Welt, trifft die Javelin die Oberseite von Panzern, die nur schwach geschützt ist, berichtet Global Security. Das macht die Javelin besonders gefährlich.
Allerdings ist Frankreich nicht die einzige nennenswerte Macht, die in Libyen mitmischt. Einem Bericht der Financial Times zufolge sollen auch russische Söldner vor Ort sein. Sie kämpfen auf Seiten von Haftar gegen die Regierung in Tripolis. Die UN hat vor einer militärischen Einnahme der Hauptstadt Tripolis gewarnt, da dies zu einer “Katastrophe” führen würde. “Ich glaube, Tripolis mit militärischen Mitteln einzunehmen, wäre eine Katastrophe. Es gibt viele bewaffnete Menschen in Tripolis und das Risiko von Straßenkämpfen ist real. Ich würde mir große Sorgen um die Opfer in der Zivilbevölkerung machen. Deshalb bemühen wir uns um jeden Preis um einen Waffenstillstand”, sagte Ghassan Salame, UN-Sonderbeauftragter für Libyen, den Financial Times.
Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zufolge könnte die aktive Beteiligung russischer Söldner an den Kämpfen in Libyen zu einer Eskalation führen. “Niemand glaubt, dass Haftar schnell die Kontrolle über Tripolis erlangen kann, aber die zunehmende russische Intervention bedeutet, dass ein langer, äußerst zerstörerischer Kampf um Tripolis, der schließlich mit Haftars Sieg enden würde, jetzt ein realistisches Szenario ist, während Haftar zuvor nicht gewinnen konnte”, so Lacher.
Haftar hat nicht nur Frankreich und Russland hinter sich, sondern er wird auch vom Nachbarland Ägypten sowie von einigen Staaten am Persischen Golf, insbesondere von den Vereinigten Arabischen Emiraten, unterstützt.
Die Regierung in Tripolis hingegen wird maßgeblich von der Türkei und von Italien unterstützt. Die Türkei hat mit der Regierung Libyens ein neues Militärabkommen unterzeichnet. Die Vereinbarung zur Verstärkung der Kooperation im Militär- und Sicherheitsbereich wurde Ende November bei einem Treffen von Präsident Recep Tayyip Erdogan und dem libyschen Ministerpräsidenten Fajes al-Sarradsch unterzeichnet, wie das türkische Präsidialamt mitteilte. Sie soll die Zusammenarbeit der Streitkräfte beider Länder stärken.
UN-Experten werfen den Regionalmächten vor, in Libyen einen Stellvertreterkonflikt auszutragen. Erdogan hat die Waffenlieferungen an Sarradsch damit begründet, dass sie das "Gleichgewicht" der Kräfte wiederherstellen würden. Sarradsch unterzeichnete das neue Militärabkommen mit Ankara, obwohl die Arabische Liga ihre Mitglieder wegen des türkischen Einmarschs in Nordsyrien aufgerufen hat, die militärische Zusammenarbeit mit der Türkei einzustellen.
Die türkische Regierung benutzt Libyen zudem, um ihre territorialen Ansprüche im östlichen Mittelmeer zu untermauern. Erdogan hatte vergangene Woche mit al-Sarradsch in Istanbul eine Vereinbarung über die Absteckung der Grenzen ihrer ausschließlichen Wirtschaftszonen im Mittelmeer unterzeichnet. Dies war bei Griechenland und Ägypten auf Protest gestoßen, da sie dadurch ihre eigenen Rechte berührt sehen. Die Regierung in Athen will nun die Nato in dem Streit um Hilfe bitten. "Eine Allianz kann es nicht ignorieren, wenn eines ihrer Mitglieder offen das internationale Recht verletzt und einem anderen Mitglied zu schaden sucht", sagte der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Montag. Um die Aufteilung des Seegebiets im östlichen Mittelmeer gibt es schon lange Streit zwischen der Türkei und den anderen Anrainerstaaten. Im Zentrum des Konflikts steht die Ausbeutung der Gasvorkommen rund um Zypern.
Erdogan sagte , Griechenland habe das Recht, seinerseits Vereinbarungen mit anderen Ländern zu treffen. Dies werde aber keine Auswirkung auf das türkisch-libysche Abkommen haben. "Die Türkei wird nicht an einem Tisch mit anderen Ländern über seine Souveränitätsrechte diskutieren", sagte Erdogan. Laut türkischen Presseberichten erlaubt das Abkommen der Türkei, seine ausschließliche Wirtschaftszone erheblich auszuweiten. Demnach könnte es verhindern, dass Griechenland seinerseits mit Zypern und Ägypten ein Abkommen über die Absteckung ihrer Seegrenzen schließt. Sobald das türkische Parlament das Abkommen mit Libyen ratifiziert hat, sollen die Vereinten Nationen über die Koordinaten der neuen ausschließlichen Wirtschaftszone der Türkei im östlichen Mittelmeer informiert werden.
Vertreter der US-Regierung hatten sich Ende November mit Haftar getroffen, um über ein Ende seiner Offensive auf die Hauptstadt Tripolis zu verhandeln. Die US-Delegation, der unter anderem der US-Botschafter Richard Norland angehörte, will nach Angaben des US-Außenministeriums eine "Einstellung der Kampfhandlungen" und eine "politische Lösung für den Konflikt in Libyen" erreichen. Die Beratungen bauten den Angaben zufolge auf Gesprächen mit der international anerkannten libyschen Einheitsregierung Anfang des Monats in Washington auf. Die US-Regierung pocht nach eigenen Angaben in den Verhandlungen mit den Konfliktparteien auf die "Souveränität und territoriale Integrität" Libyens. Sie warf am Montag zudem Russland eine "Ausnutzung des Konflikts auf Kosten des libyschen Volkes" vor.
Nach Bekanntwerden des Absturzes von zwei Aufklärungsdrohnen der USA und Italiens in Libyen Ende November hatten Milizen eine Flugverbotszone für Teile des Bürgerkriegslandes ausgerufen. Die Zone reiche von der Küstenstadt Sirte bis Suara, teilte Ahmed al-Mesmari, der Sprecher der Truppen von General Chalifa Haftar, am Samstag mit. Das entspricht einem Gebiet von etwa 500 Kilometer Länge, umfasst die umkämpfte Hauptstadt Tripolis und reicht fast bis an die tunesische Grenze heran. Die Gegend sei militärisches Operationsgebiet, sagte Al-Mesmari dem Haftar-nahen Fernsehsender Libija al-Hadath. Das Flugverbot gelte sowohl für militärische als auch zivile Flugzeuge. Wann das Flugverbot in Kraft treten soll, war zunächst nicht klar.
Im April hatte General Haftar mit seiner sogenannten Libyschen Nationalarmee (LNA) einen Vormarsch auf Tripolis begonnen. Dort wurden seine Truppen zunächst von Milizen gestoppt, die mit der Regierung verbündet sind. Nahe der Hauptstadt kommt es dennoch weiterhin zu Kämpfen. In Libyen beanspruchen seit 2011 zwei konkurrierende Regierungen die Macht für sich.
Die Regierung hatte in der vergangenen Woche bereits den zivilen Luftverkehr in Richtung Osten unterbunden und damit Flüge über das von Haftar kontrollierte Gebiet untersagt. Zuvor war ein aus Tripolis kommendes Passagierflugzeug auf dem Weg nach Jordanien von Haftars Truppen zur Zwischenlandung gezwungen worden. Zudem hatten Italien und die USA den Verlust zweier Aufklärungsdrohnen nahe der Hauptstadt Tripolis bekanntgegeben.