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Neue Industriestrategie: Staat fordert mehr Kontrolle bei Firmenverkäufen

Lesezeit: 3 min
08.12.2019 10:42  Aktualisiert: 08.12.2019 10:42
Die erneuerte Industriestrategie zielt neben einigen Updates insbesondere auf eine verstärkte Kontrolle der Bundesregierung bei Unternehmensverkäufen ins Ausland ab.
Neue Industriestrategie: Staat fordert mehr Kontrolle bei Firmenverkäufen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit der „Industriestrategie 2030“. (Foto: dpa)

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Wirtschaftsminister Peter Altmaier will die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie mit Millionen von Jobs verbessern und einen Ausverkauf deutscher Firmen ins Ausland verhindern. In seiner am Freitag vorgestellten "Industriestrategie 2030" fordert der CDU-Politiker steuerliche Entlastungen, eine Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge und niedrigere Stromkosten. Um Know-how in Deutschland zu halten, soll der Staat sich bei "sensiblen und hochrelevanten" Technologien notfalls befristet an Firmen beteiligen.

"Wir wollen keinen Protektionismus, wollen keine Belastung der Wirtschaft, aber wir wollen dafür sorgen, dass ein Ausverkauf nicht stattfindet", sagte Altmaier in Berlin. Private Investoren sollten immer Vorrang haben. Die Möglichkeit einer staatlichen Beteiligung an Firmen über die KfW-Bank gelte nur als "ultima ratio", wenn andere Instrumente nicht greifen. Dies sei auch heute schon möglich. Altmaier sprach von einer "Nationalen Rückgriffsoption". Um schnell entscheiden zu können, will er einen Ständigen Ausschuss einrichten, der mit Staatssekretären besetzt wird.

Bereits in Eckpunkten vom Februar hatte Altmaier eine aktivere Industriepolitik vorgeschlagen. Die erste Fassung des Papiers war auf viel Kritik in der Wirtschaft gestoßen. Nun legte Altmaier eine überarbeitete Strategie vor - sagte aber am Freitag zugleich, es handle sich in erster Linie um ein Konzept des Wirtschaftsministeriums: "Das muss kein Regierungsdokument werden." Eine Abstimmung innerhalb der Regierung werde es nur geben, wenn das Papier mit seinen wichtigsten Forderungen auch durchkommen könne.

"Ich will den Staatssektor nicht ausweiten", betonte Altmaier. "Wir wollen Spielregeln, die wir ablehnen, nicht kopieren." Deutsche Unternehmen müssten aber in anderen Märkten wie China eine faire Chance haben.

Neben der Industriestrategie legte Altmaier auch Pläne für eine Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vor. Ziel: Bei Übernahmen deutscher Hightech-Firmen soll das Ministerium genauer hinschauen und Verkäufe leichter verhindern können. Das zielt vor allem auf chinesische Konzerne, die zunehmend auf Einkaufstour sind - aber vom Staat subventioniert werden. Altmaier sieht darin einen ungleichen Kampf und will nun die Schutzwälle hochziehen.

Konkret geht es um strengere Vorgaben bei "kritischen Technologien" - dazu gehören Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie. Will ein ausländischer Investor aus einem Nicht-EU-Land künftig einen Anteil von mindestens zehn Prozent an einer deutschen Firma erwerben, die in diesen Bereichen tätig ist, besteht eine Meldepflicht - und das Ministerium kann die Übernahme prüfen. Bisher gilt dies für kritische Infrastrukturen wie Stromnetze.

Mit den strengeren Vorgaben sowie dem Plan, dass sich notfalls "Vater Staat" an Firmen beteiligt, soll ein neuer "Fall Kuka" verhindert werden: der Roboterhersteller war 2016 von einem chinesischen Konzern übernommen worden. Versuche auch der Politik, die Übernahme abzuwehren, waren gescheitert - auch weil das damalige Außenwirtschaftsrecht dies nicht zugelassen hatte.

Die Industrie lehnt diese Pläne Altmaiers ab. "Eine Ermächtigung der Bundesregierung zur Kapitalbeteiligung des Staates an einzelnen Unternehmen ist mit den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht leicht in Einklang zu bringen", sagte Industriepräsident Dieter Kempf: "Von einer staatlichen Rückgriffsoption zur Sicherung der technologischen Souveränität hält die deutsche Industrie nichts." DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte, die Politik sollte einen "schleichenden Einstieg" in eine staatlich gelenkte Industriepolitik vermeiden.

Generell aber fand die finale Strategie auch bei Wirtschaftsverbänden Zustimmung. Altmaier will damit einen Beitrag leisten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu steigern und wo nötig technologische Kompetenz wiederzuerlangen. Gerade bei Zukunftstechnologien sind US-amerikanische und asiatische Konzerne teils vorn.

Wirtschaftsverbände forderten zugleich, die Industriestrategie müsse nun auch in konkrete Politik umgesetzt werden. Sie verlangen seit langem eine umfassende Reform der Unternehmenssteuern, mit Blick auch auf Entlastungen in den USA, Frankreich und anderen Ländern. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat einer großen Unternehmenssteuerreform aber wiederholt eine Absage erteilt.

Die Gewerkschaft IG Metall begrüßte, dass sich Altmaier zu einer aktiven Industriepolitik bekenne. Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann kritisierte aber, in dem Papier fehlten Strategien zur Bewältigung möglicher Verwerfungen durch Umbrüche, etwa zu einer aktiven Strukturpolitik in Krisenregionen. Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb kritisierte, dass der zunächst vorgesehene Beteiligungsfonds zur Abwehr feindlicher Übernahmen gestrichen wurde.

Im Gegensatz zu den Eckpunkten nennt Altmaier auch keine konkreten Namen von Unternehmen mehr, deren langfristiger Erfolg "im nationalen politischen und wirtschaftlichen Interesse" liege, wie es damals hieß. Namentlich hatte Altmaier in den Eckpunkten "Champions" wie Siemens, Thyssenkrupp, Autobauer oder die Deutsche Bank genannt. Dies war auch auf Kritik gestoßen. Altmaier räumte nun ein, es sei nicht die beste Idee gewesen. Auch der industrielle Mittelstand nimmt nach Kritik nun eine große Rolle in der Industriestrategie ein.

 


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