Finanzen

Ausfälle in Chinas Markt für Unternehmensanleihen mehren sich

China erwartet für dieses Jahr Zahlungsausfälle von Unternehmensanleihen in Rekordhöhe. Die Regierung bemüht sich die Finanzmärkte mit ihren beispiellos hohen Schuldenständen stabil zu halten. Insgesamt liegt die Ausfallrate aber noch im niedrigen Bereich.
10.12.2019 10:00
Lesezeit: 3 min
Ausfälle in Chinas Markt für Unternehmensanleihen mehren sich
Eine wachsende Zahl chinesischer Unternehmen kann seine Anleihen nicht mehr bedienen. (Foto: dpa) Foto: Xu Jingbo

Seit Anfang November hat China mindestens 15 Zahlungsausfälle von Unternehmensanleihen verzeichnet, was die Gesamtsumme der Ausfälle im laufenden Jahr auf 120,4 Milliarden Yuan (17,1 Milliarden Dollar) anhebt, berichtet Bloomberg. Dies sei nur noch knapp weniger als die Rekordsumme des vergangenen Jahres von 121,9 Milliarden Yuan, welche voraussichtlich bis zum Jahresende noch übertroffen wird.

Zwar machen die ausgefallenen Schuldscheine nur einen kleinen Teil des chinesischen Marktes für Unternehmensanleihen im Gesamtwert von insgesamt 4,4 Billionen Dollar aus. Doch Investoren fürchten für den breiteren Markt eine mögliche Ansteckung. Dies wäre für sie eine Art gefährliches Glücksspiel, da sie nur schwer abschätzen können, welche Unternehmen von Peking unterstützt werden und welche nicht und welche im Falle ernsthafter Probleme mit staatlichen Notkrediten rechnen könnten.

Die chinesische Regierung versucht derzeit, ihre impliziten Garantien wieder zurückzunehmen, ohne dabei die Wirtschaft des Landes zu sehr zu belasten. Denn diese ist bereits durch den Handelskrieg mit den USA und das sich abschwächende Wachstum in der Weltwirtschaft geschwächt. "Den Verantwortlichen fällt es schwer, alle Unternehmen zu retten", zitiert Bloomberg Wang Ying, Analyst bei Fitch Ratings in Schanghai.

Die Schuldenkrise in China hat sich auf ein breites Spektrum von Branchen ausgeweitet, von Immobilienentwicklern und Stahlherstellern bis hin zu New-Energy-Unternehmen und Softwareherstellern. Die Art der Kreditnehmer, die Schwierigkeiten mit ihren Zahlungen haben, hat sich ebenfalls ausgeweitet, von privaten Unternehmen und lokalen staatlichen Unternehmen bis hin zu Firmen, die an Universitäten angegliedert sind und einen obskuren und lose regulierten Teil der chinesischen Unternehmenswelt darstellen.

Eine dieser Firmen, die Peking University Founder Group, sorgte am vergangenen Montag bei Investoren für Aufsehen, nachdem sie eine 2-Milliarden-Yuan-Anleihe nicht zurückgezahlt hatte. Am selben Tag versäumte es auch Tunghsu Optoelectronic Technology, ein Hersteller von Komponenten für photoelektrische Displays, eine vorzeitige Rückzahlung von Zinsen für eine 1,7-Milliarden-Yuan-Anleihe zu leisten.

Die Tewoo Group, ein bedeutender Rohstoffhändler aus der nördlichen Stadt Tianjin, ist voraussichtlich das bekannteste staatliche Unternehmen seit mehr als zwei Jahrzehnten, bei dem eine Dollar-Anleihe ausfällt, wie Bloomberg berichtete. Es handelt sich um eine 300-Millionen-Dollar Anleihe, die am 16. Dezember fällig sein wird. Das Unternehmen hatte kürzlich einen Plan zur Schuldenumstrukturierung vorgeschlagen, der massive Verluste für Investoren mit sich bringt, oder einen Tausch gegen neue Anleihen mit deutlich niedrigeren Renditen. Es wäre der erste derartige Schuldenschnitt für einen staatlichen Offshore-Emittenten.

Trotz der zahlreichen schlechten Nachrichten sagen Analysten, dass die Bedrohung durch eine systemische Schuldenkrise in China in weiter Ferne liegt. "Ich glaube nicht, dass es ein Wendepunkt ist", zitiert Bloomberg Todd Schubert, Managing Director für Fixed Income bei der Bank of Singapore. China sei ein großer Markt mit vielen Emittenten. In einem funktionierenden Kapitalmarkt seien natürlich auch einige Ausfälle zu erwarten. Die Ausfallrate in China werde in diesem Jahr voraussichtlich auf dem Niveau des Vorjahres von 0,5 Prozent bleiben, sagte S&P Global Ratings im November.

In einem Bericht vom Dienstag schreibt die US-Ratingagentur Fitch, dass die Ausfallrate für Anleihen, die von nicht-staatlichen chinesischen Unternehmen ausgegeben worden sind, in den ersten 10 Monaten des laufenden Jahres auf einen Rekordwert von 4,5 Prozent gestiegen sei. Zudem könnte das wahre Niveau der Ausfälle noch höher liegen, da einige Kreditnehmer privat mit ihren Anleihegläubigern abrechnen, nicht über Clearingstellen. Die Ausfallrate für staatliche Unternehmen lag dank der finanziellen Unterstützung durch die Regierung und des besseren Zugangs zu Banken bei nur 0,2 Prozent.

Die Schuldenlast der chinesischen Unternehmen ist bereits im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert von 165 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen. Vor diesem Hintergrund lassen die chinesischen Entscheidungsträger es nun verstärkt zu, dass Anleihen scheitern, um auf diese Weise den Kreditnehmern und Investoren eine verstärkte Disziplin aufzuzwingen. "Steigende Ausfälle sollten ein natürlicher Bestandteil des Kreditmarktzyklus sein", sagte Anne Zhang, Leiterin des Bereichs Fixed Income Asien bei JPMorgan Private Bank. "Es ist langfristig positiv für jeden Markt, einen guten Preismechanismus für Risiken zu entwickeln."

Dennoch wird der Prozess für Investoren weniger steinig sein, wenn die Politik daran arbeitet, die Transparenz bei Ausfällen zu verbessern, sagt Cindy Huang, Analystin bei S&P Global Ratings. "Bisher können Ausfälle und Erholung unvorhersehbar sein", zitiert sie Bloomberg. "Das wird das Vertrauen des Marktes beeinträchtigen und die gesunde Entwicklung des chinesischen Kreditmarktes schwächen."

Die Probleme in Chinas Finanzmarkt betreffen auch die zahlreichen Banken des Landes, darunter auch die vier größten Banken der Welt, die allesamt dem chinesischen Staat gehören. Bei einem Stresstest der chinesischen Zentralbank waren im Worst Case-Szenario mehr als die Hälfte der großen Banken im Land durchgefallen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Politik
Politik Fällt die Brandmauer? Sächsische CDU-Heimatunion für pragmatischen Umgang mit AfD
21.10.2025

„Es wäre nicht das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass von Sachsen aus eine Mauer eingerissen wird“, meinen mehrere...

DWN
Finanzen
Finanzen ETF oder Fonds oder Aktien: Welche Geldanlage lohnt sich in unsicheren Zeiten?
21.10.2025

Hohe Inflation, schwankende Zinsen und geopolitische Konflikte machen Investoren derzeit das Leben schwer. Ob Privatanleger oder...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirtschaftsstandort: Bürokratie bremst und stresst Unternehmer - auch psychisch
21.10.2025

Die Belastung durch Bürokratie ist für Unternehmen in den letzten Jahren enorm gewachsen – bei vielen ist der Kipppunkt erreicht. Das...

DWN
Politik
Politik Folgen des Klimawandels: UN-Klimachef drückt aufs Tempo
21.10.2025

In wenigen Wochen beginnt in Brasilien die nächste Weltklimakonferenz. UN-Klimachef Simon Stiell hat dazu eine gute und eine schlechte...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Allianz-Tochter: Firmeninsolvenzen steigen 2026 weltweit
21.10.2025

Ein Crash wie zur Dotcom-Blase? Allianz Trade hält 4.000 zusätzliche Insolvenzen in Deutschland für möglich, sollte die KI-Euphorie...

DWN
Finanzen
Finanzen Finfluencer: Wie Social Media junge Anleger in die Falle lockt
21.10.2025

Junge Anleger lassen sich von Finfluencern in sozialen Netzwerken verführen – mit fatalen Folgen. Schweden greift jetzt durch: Die...

DWN
Politik
Politik Ukraine greift Gazprom-Anlage an: Gasversorgung in Russland gestört
21.10.2025

Die Ukraine hat mit einem gezielten Drohnenangriff eine der größten Gasverarbeitungsanlagen Russlands getroffen. Der Treffer auf den...

DWN
Technologie
Technologie Amazon-Ausfall bringt das halbe Internet zum Stillstand
21.10.2025

Nichts ging mehr: Ein Ausfall bei Amazons Cloud-Plattform AWS legte am Dienstag zahlreiche bekannte Dienste lahm – von Fortnite bis Zoom....