Ein aktueller Bericht der Deutschen Bank mit dem Titel "Imagine 2030" befasst sich ausführlich mit dem Thema der Kryptowährungen, die den Autoren des Berichts zufolge in den kommenden Jahren stark an Bedeutung gewinnen könnten. Schon im ersten Kapitel, das mit der Frage "Das Ende des Fiat-Geldes?" überschrieben ist, schreibt der DB-Analyst Jim Reid:
"Die Kräfte, die das gegenwärtige Fiat-System zusammengehalten haben, sehen jetzt zerbrechlich aus und könnten sich in den 2020er Jahren auflösen. Ist das der Fall, wird das zu einer Gegenbewegung zum Fiat-Geld führen und die Nachfrage nach alternativen Währungen wie Gold oder Krypto könnte steigen."
Der Bericht der Deutschen Bank enthält auch das Kapitel "Kryptowährungen: Das Bargeld des 21. Jahrhunderts". Darin heißt es, dass Kryptowährungen bisher "immer Ergänzungen und kein Ersatz zum globalen Geldbestand" waren. Kryptowährungen hätten es "trotz ihrer bekannten Vorteile wie Sicherheit, Geschwindigkeit, minimale Transaktionsgebühren, einfache Speicherung und Relevanz im digitalen Zeitalter nicht geschafft, sich als Zahlungsmittel durchzusetzen". Bemerkenswert ist, dass die Deutsche Bank den Faktor "Sicherheit" ihren Lesern als Vorteil der Kryptowährungen verkaufen will, wobei doch klar ist, dass alles Digitale auch gehackt, manipuliert und fremdgesteuert werden kann.
Weiter heißt es in dem Bericht:
"Mit Blick in die Zukunft kann sich das ändern. Was ist, wenn beispielsweise eins der GAFA [ein Kürzel für Google, Apple, Facebook, Amazon, Anm. d. Red.] oder einer ihrer chinesischen Gegenspieler BATX [Baidu, Alibaba, Tencent and Xiaomi, Anm. d. Red.] in der Lage ist, die regulatorischen Hürden zu überwinden - das derzeitige Haupthindernis? Auf lange Sicht würde dies die Attraktivität von Kryptowährungen erhöhen, ihre Einführung beschleunigen und ihnen das Potenzial geben, schließlich Bargeld zu ersetzen."
Entscheidend ist dem Bericht zufolge, was in den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt passiert. Noch verbieten China und Indien den Kauf und den Verkauf von Kryptowährungen. "Aber die Dinge entwickeln sich schnell." Ende Oktober habe der chinesische Präsident Xi Jinping die Absicht der Zentralbank des Landes wiederholt, Bargeld durch eine von der Zentralbank ausgegebene digitale Währung zu ersetzen. Damit verfolge die chinesische Führung das Ziel, "die Verbreitung und Internationalisierung des Yuan zu fördern".
Auch in Indien zeichnet sich dem Bericht zufolge ein Wandel ab. Im Jahr 2016 habe die Regierung des Landes Geldscheine der Größen 1.000 Rupien und 500 Rupien für ungültig erklärt. Und vor kurzem habe sich ein Wirtschaftspanel der Regierung für die Einführung einer offiziellen digitalen Währung mit dem Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels ausgesprochen, das von der Zentralbank des Landes, der Reserve Bank of India, reguliert werden solle.
An dieser Stelle verschweigt die Deutsche Bank den Umstand, dass das vollkommen überraschend eingeführte Bargeldverbot der indischen Wirtschaft einen schweren Schlag versetzt hat, weil insbesondere die ärmeren Stadtbewohner und die Landbevölkerung auf Bargeld angewiesen sind. Indien hat sich noch heute nicht von den Folgen der Entscheidung erholt - in Gegenteil: inzwischen sieht es so aus, als ob das Land in eine schwere Wirtschaftskrise stürzt.
Zu den Vorteilen von Kryptowährungen heißt es in dem Bericht der Deutschen Bank weiter:
"Im 20. Jahrhundert akzeptierten und bevorzugten die meisten Unternehmen und Einzelhändler Bargeld für kleine Zahlungen. Heute ist es ganz anders. Digitale Zahlungen werden von Einzelhändlern bevorzugt, da Bargeld das Zählen von Rechnungen, das Beschaffen von Wechselgeld, Bankwarteschlangen und möglicherweise auch Diebstahl bedeutet. Diese Faktoren überwiegen die Kosten der Kreditkartengebühren bei denselben Transaktionen. Der nächste logische Schritt ist eine digitale Bargeldalternative, die die zusätzlichen Gebühren, welche die Kartenanbieter derzeit erheben, beseitigt oder zumindest senkt?"
In einer Umfrage der Deutschen Bank unter mehr als 3.600 Verbrauchern in China, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und den USA gaben angeblich zwei Drittel an, dass sie digitale Zahlungen gegenüber Barzahlungen bevorzugten. Für Deutschland dürfen diese Zahlen nicht stimmen, da hierzulande eine große Mehrheit das Bargeld behalten will. Für ein Drittel allerdings sein Anonymität wichtig. Das seien aber genau die beiden Dinge, die Kryptowährungen am besten können, so der Bericht.
"Kryptowährungen müssen drei Haupthindernisse überwinden, um sich zu verbreiten. Erstens müssen sie von Regierungen und Regulierungsbehörden als legitim eingestuft werden. Das bedeutet, ihr Preis muss sich stabilisieren und sie müssen sowohl den Händlern als auch den Verbrauchern Vorteile verschaffen. Sie müssen auch eine globale Reichweite auf dem Zahlungsmarkt ermöglichen. Dazu müssen Allianzen mit wichtigen Beteiligten eingegangen werden - mit mobilen Apps wie Apple Pay, Google Pay, mit Kartenanbietern wie Visa und Mastercard sowie mit Einzelhändlern wie Amazon und Walmart."
Der Bericht nennt keine der heute weit verbreiteten Kryptowährungen wie Bitcoin beim Namen, sondern erwartet den Durchbruch in den nächsten zehn Jahren eher von Seiten einer oder mehrerer Zentralbanken der Welt. "Wenn wir auf das kommende Jahrzehnt blicken, wäre es nicht verwunderlich, wenn unerwartet eine neue und weit verbreitete Kryptowährung entstehen würde." Einige Länder mit historisch starken Bankenindustrien würden derzeit Kryptowährungen testen. Und die Deutsche Bank erwartet offenbar einen Wettlauf:
"Davon abgesehen können Kryptowährungen das beste Werkzeug für einen digitalen Krieg sein. Die Frage ist, welches Land davon profitieren wird, dass es das erste Land ist, das Lizenzen erhält und Allianzen aufbaut. In diesem Fall kann die Grenze zwischen Kryptowährungen, Finanzinstituten sowie zwischen dem staatlichen und dem privaten Sektor verschwimmen."