Politik

Ehemaliger Nissan-Chef Ghosn flüchtet vor japanischer Justiz in den Libanon

Der in Japan angeklagte frühere Nissan-Vorstandsvorsitzende Carlos Ghosn hat sich unter ungeklärten Umständen in den Libanon abgesetzt.
31.12.2019 09:35
Lesezeit: 2 min
Ehemaliger Nissan-Chef Ghosn flüchtet vor japanischer Justiz in den Libanon
Carlos Ghosn. (Foto: dpa) Foto: Koji Sasahara

Der in Japan angeklagte frühere Renault- und Nissan-Chef Carlos Ghosn hat sich überraschend in den Libanon abgesetzt. Er werde nun nicht länger von einem manipulierten japanischen Justizsystem als Geisel festgehalten, teilte der 65-Jährige am Dienstag in einer kurzen Erklärung mit. "Ich bin nicht vor der Justiz geflohen – ich bin Ungerechtigkeit und politischer Verfolgung entkommen." Ihm seien grundlegende Rechte verwehrt worden. Er könne nun endlich frei mit den Medien kommunizieren und werde in der nächsten Woche damit beginnen. Sein Anwalt wusste nach eigenen Angaben nichts davon und sprach von einem unentschuldbaren Verhalten.

Ghosn war die treibende Kraft hinter der französisch-japanischen Auto-Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi. Er besitzt neben der französischen auch die libanesische und brasilianische Staatsbürgerschaft. In Japan wird ihm unter anderem Untreue vorgeworfen. Ihm droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Ghosn bestreitet die Anschuldigungen. Er war im März nach mehr als 100 Tagen Haft gegen eine Kaution von neun Millionen Dollar unter strengen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen. Zudem wurde sein Bewegungsprofil und seine Kommunikation überwacht. Zwei vorherige Kautionsanträge waren abgelehnt worden.

Anfang April wurde er erneut festgenommen und rund drei Wochen später wieder gegen eine Millionen-Kaution auf freien Fuß gesetzt. Seine Anwälte hatten das harte Vorgehen gegen Ghosn kritisiert. Das japanische Rechtssystem erlaubt, Verdächtige lange festzuhalten und auch lange ohne Anwälte zu befragen - bis zu acht Stunden am Tag.

Ghosns Auftauchen im Libanon wirft die Frage auf, wie ein so prominenter Manager nur Monate vor seinem Prozess unerkannt aus Japan ausreisen konnte. Auch sein Anwalt Junichiro Hironaka zeigte sich überrascht. Er habe schon seit einer Woche nicht mehr mit Ghosn gesprochen und von der Ausreise aus den Nachrichten erfahren, sagte Hironaka. Auch könne er keinen seiner drei Pässe zur Flucht genutzt habe, da sie noch gemäß der Kautionsauflagen in der Hand seiner Anwälte seien.

Medienberichten zufolge soll er am Sonntagabend am Flughafen in Beirut angekommen sein. Die Staatsanwaltschaft in Tokio äußerte sich zunächst nicht dazu. Allerdings die "Financial Times" am Montag berichtet, dass Ghosn nicht mehr unter Hausarrest stehe. Ein Nissan-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab. Der Libanon hat nach Angaben des japanischen Justizministeriums keinen Auslieferungsvertrag mit Japan.

Der einst gefeierte Top-Manager war im November 2018 in Tokio festgenommen worden wegen des Verdachts der Untreue und finanziellen Fehlverhaltens bei Nissan. Ihm wird vorgeworfen, sein Einkommen zu niedrig angegeben, den Autobauer Nissan um fünf Millionen Euro geschädigt und sich persönlich bereichert zu haben. Nissan hatte Ghosn wenig später als Verwaltungsratschef abgesetzt. Ghosn war dann auch als Renault-Chef zurückgetreten. Er bestreitet die Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer internen Intrige bei Nissan wegen Widerstands gegen ein engeres Bündnis mit Renault.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Porsche-Aktie in der Analyse: Wenn der Mythos wankt und die Rendite schmilzt
29.10.2025

Porsche schreibt fast eine Milliarde Euro Verlust – und das mitten im Strukturwandel. Der Sportwagenhersteller kämpft mit schwachen...

DWN
Panorama
Panorama Digitale Krankmeldung und eAU: Rechte, Pflichten und Grenzen im Krankheitsfall
29.10.2025

Wer sich krankmeldet, steht oft vor Fragen: Wann muss ich Bescheid sagen? Was darf ich trotz Krankschreibung tun? Und welche Fehler können...

DWN
Politik
Politik Science Europe-Chefin: Wir können Trump nicht ändern, aber wir können unser Handeln ändern
29.10.2025

Datensperren in den USA, restriktive Regeln in China. „Science Europe“ fordert einen Kurswechsel. Europa muss seine technologische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chipmangel in der deutschen Industrie verschärft sich: Wo die Ursachen liegen und warum die Folgen dramatisch sind
29.10.2025

Der zunehmende Chipmangel trifft Deutschlands Industrie empfindlich. Steigende Engpässe, geopolitische Spannungen und die Abhängigkeit...

DWN
Finanzen
Finanzen Mercedes-Benz-Aktie trotzt Gewinneinbruch: Anleger reagieren positiv auf Quartalszahlen
29.10.2025

Die Mercedes-Benz-Aktie überrascht trotz massiver Gewinnrückgänge mit steigenden Kursen. Der Autobauer kämpft mit Absatzflauten,...

DWN
Finanzen
Finanzen BASF-Aktie legt zu: Quartalszahlen besser als erwartet – neues Aktienrückkaufprogramm
29.10.2025

Die BASF-Aktie zeigt überraschende Stärke – trotz schwacher Nachfrage und globaler Unsicherheiten. Positive Quartalszahlen und ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Bank-Aktie profitiert von starken Quartalszahlen – Erträge und Gewinne über Erwartungen
29.10.2025

Die Deutsche Bank-Aktie glänzt nach starken Quartalszahlen – doch kann das Institut den Erfolg auch langfristig sichern? Rekordgewinne,...

DWN
Panorama
Panorama Aktivrente: Warum viele Ältere weiterarbeiten wollen
29.10.2025

Immer mehr ältere Menschen wollen auch im Ruhestand nicht auf Arbeit verzichten. Viele Rentner bleiben beruflich aktiv – aus Freude,...