Erneut könnten Anleihen im Portfolio der Europäischen Zentralbank (EZB) auf "Schrott" herabgestuft werden. Denn Italien wird dem Autobahnbetreiber Autostrade per l’Italia voraussichtlich die Konzession entziehen. Denn das in Rom ansässige Börsenunternehmen ist für den Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua verantwortlich, der im August 2018 nicht nur 43 Menschenleben forderte, sondern außerdem 600 Menschen das Obdach nahm.
Die italienische Regierung hat vor kurzem beschlossen, dass Autobahnbetreiber bei vorzeitiger Vertragsauflösung weniger Entschädigung enthalten, wenn sie ihre Verpflichtungen verletzt haben. "In der Phase der Analyse, in der wir uns befinden, kann ich sagen, dass es offensichtlich ist, dass jemand Fehler gemacht hat und für schwere und unverzeihliche Fahrlässigkeit verantwortlich ist", sagte Italiens Premierminister Giuseppe Conte am Montag gegenüber der Tageszeitung La Repubblica.
Atlantia, dessen Tochterunternehmen Autostrade mit 3.100 Kilometern 262 Mautstellen mehr als die Hälfte der italienischen Autobahnen betreibt, hat jegliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua bestritten und erklärt, dass es stets in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen gehandelt habe. Zudem sagte der CEO von Autostrade, Roberto Tomasi, dass eine Kündigung des Vertrages mit reduzierter Entschädigung das Unternehmen in den Konkurs treiben könnte.
Eine Quelle von Autostrade sagte zu Reuters, dass der vorzeitige Verlust der Konzession für den Autobahnbetrieb ohne Entschädigung einen Ausfall von Anleihen im Wert von insgesamt etwa 16 Milliarden Euro auslösen könnte. Denn dies würde es Autostrade unmöglich machen, Anleihen in Höhe von 10,8 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Zudem würde es die Anleihen des Mutterkonzerns Atlantia in Höhe von 5,3 Milliarden Euro in Schwierigkeiten bringen, der 88 Prozent von Autostrade kontrolliert und für einen Teil von deren Schulden bürgt.
Der Quelle zufolge werden diese Anleihen im Umfang von insgesamt 16 Milliarden Euro zum größten Teil von internationalen Investoren gehalten, darunter Banken. Zudem hätten 17.000 kleine italienische Sparer Autostrade-Anleihen im Umfang von 0,75 Milliarden Euro gekauft. Weitere Autostrade-Aktionäre sind ein Investorenkonsortium unter der Führung der deutschen Allianz, die einen Anteil von 7 Prozent hält, und der chinesische Seidenstraßen-Fonds mit einem Anteil von 5 Prozent.
Weitere Anleihen im EZB-Portfolio werden auf "Schrott" herabgestuft
Ein weiterer bekannter Investor ist die Europäische Zentralbank (EZB), die im Rahmen ihres Programms zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP), das im Juni 2016 gestartet wurde, elf Autostrade-Anleihen und drei Atlantia-Anleihen erworben hat, wie der Finanzblog WOLF STREET berichtete. Den Umfang ihrer Anleihekäufe hat die EZB nicht offen gelegt. Doch die auf sie nun zukommenden Verluste dürften erheblich sein.
Am Freitag wurde Atlantia von der Ratingagentur Moody's tiefer in den "Schrott"-Bereich auf Ba2 herabgestuft, nachdem das Unternehmen Anfang Dezember von Moody's bereits auf die höchste "Schrott"-Stufe Ba1 herabgestuft worden war. Autostrade wurde von Moody's nun ebenfalls in den "Schrott"-Bereich auf Ba1 herabgestuft. Der Grund ist die Unsicherheit im Hinblick auf die Zukunft des italienischen Mautgeschäfts. Zudem hält Moody's die Ratings für weitere Senkungen auf dem Prüfstand.
Doch es kommt noch schlimmer: Sowohl Autostrade als auch Atlantia sind nur jeweils eine Stufe davon entfernt, auch von der Ratingagentur S&P in den Schrottbereich herabgestuft zu werden. S&P's hatte die beiden Firmen im September auf nur eine Stufe über "Schrott" herabgestuft. Wenn zwei der großen Ratingagenturen Moody's, Fitch und S&P ein Unternehmen auf Junk herabstufen, dann sind viele Pensionsfonds und andere Großanleger vertraglich zum Verkauf dieser Anleihen verpflichtet, da sie nur Vermögenswerte von anlagewürdiger Bonität halten dürfen.
Die EZB unterliegt keinen solchen strengen Regeln. Zwar darf sie nach ihren Regeln keine mit "Schrott" bewerteten Schuldverschreibungen kaufen. Doch sie ist nicht verpflichtet, Schuldverschreibungen wieder zu verkaufen, wenn sie auf "Schrott" herabgestuft werden. Atlantia wäre nach den Einzelhandelsgiganten Steinhoff und Dia bereits das dritte große Unternehmen, dessen Anleihen die EZB gekauft hat und die dann auf "Schrott" herabgestuft wurden. Die Steinhoff-Anleihen hat die EZB in der Folge verkauft - mit einem Verlust von mehreren Millionen Euro.