Finanzen

Eine Handvoll anonymer Firmen entscheidet darüber, ob das deutsche Bankensystem funktioniert

Zahlungsabwicklungen oder Wertpapiertransaktionen deutscher Banken werden von einer Handvoll kaum bekannter Unternehmen durchgeführt. Diese konnten ihren Marktanteil in den vergangenen Jahren deutlich steigern. Versagen sie oder werden von Hackern angegriffen, gerät das gesamte Bankensystem in Schieflage.
19.01.2020 12:59
Aktualisiert: 19.01.2020 12:59
Lesezeit: 2 min
Eine Handvoll anonymer Firmen entscheidet darüber, ob das deutsche Bankensystem funktioniert
Ein Chip in einer Kreditkarte. (Foto: dpa) Foto: Ole Spata

Tausende Banken, Sparkassen und Volksbanken in Deutschland lassen ihre Zahlungsvorgänge und Wertpapiertransaktionen von externen Spezialunternehmen durchführen, welche der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt sind. Software-Probleme bei einem dieser Anbieter und die darauf folgende Einfrierung der Wertpapiergeschäfte bei hunderten Instituten vor einigen Tagen verdeutlichen das Risiko, welches von der Machtkonzentration ausgeht.

Wie das Magazin Finanzmarktwelt berichtet, kam es am 6. Januar bei dem Spezialanbieter Deutsche Wertpapier Service Bank (dwpbank) zu einer Software-Panne, woraufhin der Handel mit Wertpapieren bei 1.288 angeschlossenen deutschen Banken nicht mehr funktionierte:

„In einer auf den ersten Blick unspektakulären Mitteilung verkündete die dwpbank gestern, dass es am Montag ein kleines IT-Problemchen gegeben habe. Dabei sei bei dieser IT-Panne die Datenübertragung unterbrochen worden, die unter anderem für die Entgegennahme und Platzierung von Wertpapierorders an wesentlichen Handelsplätzen verantwortlich sei. Grund für die Störung sei der Ausfall von mehreren Datenservern gewesen, welche die dwpbank für diese Übertragung nutzt. Dienstag früh sei das Problem wieder behoben worden.

Nur der Nachfrage eines Handelsblatt-Journalisten ist es gedankt, dass bestätigt wurde, dass tatsächlich alle der angeschlossenen 1.288 Institute von dieser IT-Panne betroffen waren. Also waren quasi die Kunden bei 3/4 aller Banken in Deutschland in ihren Wertpapier-Transaktionen am Montag eingeschränkt. Und das, weil bei einem einzigen Dienstleister ein paar Server ausfallen. Dieses Beispiel zeigt, wie anfällig ein auf den ersten Blick so komplexes Finanzsystem ist.“

Das Unternehmen dwpbank gilt mit seinen fast 1.300 angeschlossenen Banken und rund 4,7 Millionen verwalteten Wertpapierdepots als einer der größten Dienstleister der Branche. In dieser Liga spielt auch Finanz Informatik – eine ausgelagerte Spezialgesellschaft der Sparkassen – welche eigenen Angaben zufolge 384 Sparkassen, 6 Landesbanken, 8 Landesbausparkassen, die DekaBank, 5 öffentliche Versicherer, 4 Direktbanken sowie weitere Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe zu seinen Kunden zählt.

Im Bereich der Zahlungsabwicklung machte zudem vor Kurzem das niederländische Unternehmen Equens Worldline von sich reden, weil es auf Wunsch der Hypo Vereinsbank künftig die Transaktionen der Kunden gewährleisten soll – weshalb die Kooperation mit einer Tochter der Deutschen Bank gekündigt wurde. Bereits 2018 hatte schon die Commerzbank ihre Zahlungstransaktionen an Equens Worldline ausgelagert, berichtet das Magazin Der Treasurer unter Verweis auf das Handelsblatt.

Hintergrund für die zunehmende Auslagerung der Zahlungsverkehr- und Wertpapier-Abwicklung an Spezialanbieter sollen dem Magazin zufolge veraltete IT-Systeme bei vielen Banken sein, die eine teure Umrüstung aufgrund der verschärften Regulierungsvorschriften seitens der Politik, der Einführung von SEPA Instant Payments und der EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 erforderlich machten. Um diese Ausgaben einzusparen, vertrauen man nun eben auf externe Partner.

Die Auslagerung der Dienste an externe Zuarbeiter mag deutschen Banken auf kurze Sicht günstiger erscheinen, als ihre Systeme auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Sollten diese kritischen Schnittstellenbetreiber jedoch technische Probleme haben oder von Cyber-Kriminellen angegriffen werden, sind auf einen Schlag gleich dutzende, wenn nicht hunderte, Banken im ganzen Land und andere Finanzinstitutionen betroffen und nicht mehr handlungsfähig.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Halbleiter-Aktien: Wie die ASML-Aktie zur europäischen Macht im Chipsektor wird
08.12.2025

Die US-Großbank Bank of America setzt in Europa auf einen Chipkonzern, der in einem neuen Wachstumszyklus steckt und die Branche unter...

DWN
Politik
Politik EU-Staaten beschließen schärfere Migrationspolitik
08.12.2025

Die EU zieht die Zügel in der Migrationspolitik an: Abschiebungen sollen leichter, Verteilung verpflichtender werden. Doch neue Regeln zu...

DWN
Politik
Politik Russland tobt nach Interview mit ehemaligen NATO-General Rob Bauer
08.12.2025

Ein explosiver Schlagabtausch zwischen Russland und einem früheren NATO-Spitzenoffizier schürt neue Ängste vor einer Eskalation. Moskau...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission: Vorschläge zum Verbrenner-Aus nächste Woche
08.12.2025

Die EU-Kommission legt am 16.12. neue Vorschläge zum Verbrenner-Aus vor. Nach wachsender Kritik aus Industrie, Politik und Bevölkerung...

DWN
Finanzen
Finanzen Confluent-Aktie auf Höhenflug: IBM will Dateninfrastruktur-Spezialisten Confluent kaufen
08.12.2025

Ein Mega-Deal rückt die Confluent-Aktie schlagartig ins Rampenlicht: IBM bietet Milliarden für den Datenstreaming-Spezialisten Confluent....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VDA rechnet 2026 mit rund 693.000 neuen E-Autos
08.12.2025

Deutschlands Autokäufer stehen vor einem elektrischen Wendepunkt: Verbände prognostizieren deutliche Zuwächse bei Elektroautos und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtwechsel im Arbeitsmarkt 2025: Arbeitgeber geben wieder den Ton an
08.12.2025

Der Wind am Arbeitsmarkt 2025 dreht sich offenbar: Nach Jahren der Bewerbermacht gewinnen Unternehmen wieder Spielraum. Jan-Niklas Hustedt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzzahlen 2025: Warum Firmenpleiten weiter steigen
08.12.2025

Deutschlands Insolvenzzahlen klettern auf den höchsten Stand seit Jahren. Besonders Mittelstand, Handel und Autozulieferer geraten unter...